Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
wurde
das Herz schwer. „Das war mein Bruder. Mein Zwillingsbruder Seth.“
„Ach, ich bitte dich“, spottete sie. „Wie bequem,
dass er dir gerade jetzt einfällt. Lass mich raten - du bist Dr Jekyll, und er
ist Mr Hyde.“
Kade verstand ihren Zweifel. Er verstand auch ihre
Wut und ihre Verachtung für ihn. Ihre Gefühle schwollen in seiner eigenen Brust
an und pressten sein Herz wie in einem Schraubstock zusammen. „Alex, du
verstehst nicht. Ich wollte dir nicht von Seth erzählen, weil ich mich schäme.
Für ihn, für das, was er getan hat. Und auch für mich, weil ich seinem Wahnsinn
nicht schon früher ein Ende gesetzt habe. Ich hab dir nichts von ihm erzählt,
weil ich dachte, dann denkst du, ich bin wie er.“ Er stieß einen tiefen Seufzer
aus. „Scheiße ...
vielleicht wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen,
bis du erkennst, dass ich tatsächlich bin wie er.“
Sie schwieg eine ganze Weile, das Geräusch ihrer
Schritte verstummte. Im Hintergrund konnte er Luna leise winseln hören. „Ich
leg jetzt auf, Kade.“
„Warte. Ich muss dich sehen. Wo bist du, Alex?“
„Ich will nicht ...“ Sie holte tief Atem und stieß
ihn wieder aus. „Ich will dich nicht sehen. Nicht jetzt. Vielleicht nie mehr.“
„Alex, das kann ich nicht zulassen. Ich will mit
dir reden, persönlich, nicht so wie jetzt.“ Er schloss die Augen und fühlte
einen Teil seiner Hoffnung schwinden. „Sag mir, wo du bist. Ich kann in ein
paar Minuten bei deinem Haus sein ...“
„Ich bin nicht daheim. Nach dem, was ich heute
gesehen habe, wusste ich nicht, was ich tun und wo ich hin sollte. Deshalb bin
ich zu Zach gegangen.“
Zu dem Polizisten. Ach du Scheiße!
Jetzt befiel ihn helle Panik. „Alex, ich weiß, dass
du Angst hast und durcheinander bist, aber erzähl ihm nichts über diese ...“
„Zu spät“, murmelte sie. „Ich muss jetzt gehen,
Kade. Bleib weg von mir.“
„Alex, warte! Alex!“ Das Handy piepste, als die
Verbindung abbrach. Sie hatte ihn weggedrückt. „Verdammt noch mal!“
Er versuchte, sie zurückzurufen, aber sie ging
nicht ran. Es klingelte dreimal, viermal ... dann sprang ihre Mailbox an, und
er gab auf.
Versuchte es wieder. Kam wieder nicht durch.
„Scheiße!“, brüllte Kade voller Angst, Frustration
und Wut auf sich selbst, für das, was Alex hatte durchmachen müssen. Ein
Trauma, bei dem er die Hände mit im Spiel hatte und das ihn wahrscheinlich die
Frau gekostet hatte, mit der er gehofft hatte, den Rest seines Lebens zu
verbringen.
Als er herumfuhr, stand Tegan vor ihm. „Klingt
nicht gut.“
Kade schüttelte vage den Kopf.
„Eine Frau, ja?“, stellte Tegan fest. „Die
Stammesgefährtin aus Harmony?“
Kade hielt dem grimmigen Blick des
Gen-Eins-Kriegers stand. „Ich bin mit ihr verbunden. Ich liebe sie.“
Tegan, der ebenfalls in einer Blutsverbindung
lebte, grunzte. „Gibt Schlimmeres.“
„Kann man wohl sagen“, stimmte Kade ihm zu. „Es
gibt wirklich Schlimmeres.
Sie denkt nämlich, ich hätte sie belogen. Das habe
ich nicht, aber ich war nicht ganz ehrlich zu ihr und habe sie im Stich
gelassen. Sie hat gesagt, dass sie mich nie wiedersehen will.“
„Weiter“, sagte Tegan.
„Alex weiß über den Stamm Bescheid“, sagte Kade.
„Über den Ältesten auch.
Scheiße, sie weiß alles. Und ich glaube, sie hat
alles diesem State Trooper erzählt, der in Harmony stationiert ist.“
Tegan zuckte nicht mit der Wimper. Sein Blick war
kalt, berechnend.
Mitleidlos. „Das käme uns ungelegen.“
Kade nickte und stieß einen Fluch aus. „Ich glaube,
es ist zu spät, um sie aufzuhalten. Sie hat mir erzählt, dass sie zu ihm nach
Hause gegangen ist. Sie ist ganz durcheinander und hat Angst. Ich denke, sie
könnte den Bullen um Hilfe gebeten haben.“
„Verstehe“, knurrte Tegan fast unhörbar. „Dann
sieht es wohl so aus, dass wir jetzt nach Harmony müssen. Wir müssen die
Situation unter Kontrolle bekommen. Und wenn nötig, auch deine Frau.“
26
„Komm, Luna, es geht los.“
Alex saß auf ihrem Schneemobil vor Zachs Haus und
wartete darauf, dass Luna sich vor ihr auf den Schlitten hockte. Nach Kades
wiederholten Anrufen hatte sie ihr Handy ausgeschaltet und eingesteckt. Danach
saß sie eine Weile nur in der Dunkelheit im Schneegestöber und zwang sich dazu,
einfach nur ein- und auszuatmen.
Sie konnte nicht mehr mit ihm reden. Jedenfalls
jetzt nicht. Ihr Herz war schwach, und obwohl sie ihm gesagt hatte, dass er
sich von ihr fernhalten sollte,
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