Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
etwas einfacher
wurde, als sie Big Daves Reibeisenstimme aus der Menge heraushörte, der mit
seinen neuesten Jagderfolgen protzte. Und Kade lächelte und nickte, als wären
sie die besten Kumpels.
Vierundzwanzig Stunden in der Stadt, und schon
einer der hiesigen Jungs, na toll.
Angewidert ging Alex weiter, an der Musikbox vorbei
auf die Toilette zu. Mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung sah sie, dass
sie unbesetzt war. Sie ging sofort hinein und erledigte ihr Geschäft und
verdrehte die Augen, als auf der anderen Seite der verschlossenen Tür erneut
Gejohle und Gelächter aufbrandeten. Erst als sie sich am Waschbecken die Hände
wusch, sah sie zufällig in den Spiegel. Ein müdes, abgespanntes Spiegelbild
starrte sie an.
„Ach du Scheiße“, flüsterte sie. Hätte sie sich
doch wenigstens die Zeit genommen, etwas Mascara aufzutragen, bevor sie heute
Abend das Haus verlassen hatte. Und vielleicht eine Bürste durch ihren
windzerzausten Haarmopp gezogen.
Sie machte einen vergeblichen Versuch, einige
verirrte blonde Strähnen zu glätten, aber viel nützte es nicht. Kein Wunder,
dass Kade sie so angestarrt hatte. Sie sah aus wie eine wandelnde Medusa, die
schon seit einer Woche kein Auge mehr zugetan hatte - was ja eigentlich auch
stimmte.
Hatte sie schon so schlecht ausgesehen, als sie ihn
heute Nachmittag gesehen hatte? Sie hoffte nicht. Sie hoffte, er hatte nicht
gedacht...
„Um Gottes willen! Warum solltest du einen Scheiß
draufgeben, was der von dir denkt, hä?“, sagte sie zu dem hoffnungslosen
Gesicht im Spiegel. „Dieser Typ da draußen ist der Allerletzte, den du
beeindrucken musst.“
Alex nahm ihren eigenen Ratschlag mit einem Nicken
entgegen und fragte sich gleichzeitig, ob die Geschehnisse der letzten Zeit sie
über irgendeine unsichtbare Grenze gestoßen hatten, wo es plötzlich normal war,
Gespräche mit dem eigenen Spiegelbild zu führen. Schlimm genug, dass sie sich
mit Luna unterhielt, als verstände der Wolfshund jedes Wort; aber das hier ging
jetzt doch etwas zu weit.
Mit einem tiefen Atemzug klemmte sich Alex ihr
widerspenstiges Haar hinter die Ohren, öffnete die Toilettentür und trat
hinaus.
“Alles okay da drin?“
Kade. Oh Gott!
Er stand an die Musikbox gelehnt, die, wie sie
bemerkte, jetzt endlich das Lied spielte, das sie vor fast einer Stunde
ausgesucht hatte. Er grinste sie an, Belustigung umspielte seine Mundwinkel und
blitzte im blassen Silber seiner Augen. Hatte er womöglich gehört, wie sie sich
eben ausgeschimpft hatte, und das ausgerechnet zum Soundtrack von My
Favourite Mistake von Sheryl Crow?
„Wie ich sehe, haben Sie in Harmony schon Freunde
gefunden.“
Er grunzte und sah beiläufig zu dem Pulk von
Männern hinüber, die immer noch ihre Freibiere kippten, dann wandte er ihr
wieder seine ganze Aufmerksamkeit zu. „Big Dave und ein paar andere wollen das
Wolfsrudel aufspüren, das neulich hier in der Gegend gesichtet wurde. Sie haben
mich gebeten mitzukommen.“
Alex schnaubte. „Gratuliere. Da werden Sie hier ja
jede Menge Spaß haben.“
Als sie sich an ihm vorbeidrängen wollte, sagte er:
„Ich habe heute Abend auch erfahren, dass es letzten Winter draußen in der
Wildnis einen verdächtigen Todesfall gab. Ein Inuit, der allein in einer Hütte
zehn Meilen nordwestlich von Harmony lebte. Big Dave scheint zu denken, dass
das ebenfalls Wölfe waren.“
Alex drehte sich wieder zu ihm um und schüttelte
den Kopf. „Meinen Sie Henry Tulak? Der war Alkoholiker und ein wenig verrückt.
Wahrscheinlich hat er irgendwelche Dummheiten gemacht und ist erfroren.“
Kade zuckte mit den muskulösen Schultern. „Big Dave
und die anderen sagen, dass nichts bewiesen werden konnte, weil Tulaks Leiche
erst bei der Schneeschmelze im Frühling entdeckt wurde. Da waren nur noch ein
paar Knochen von ihm übrig.“
„Und wenn Sie wirklich eine Weile in Alaska gelebt
hätten, wie Sie behaupten, dann wüssten Sie auch, dass im Busch nichts lange
liegen bleibt. Was nicht verrottet, holen sich die Aasfresser. Das heißt noch
lange nicht, dass der Mann von Wölfen getötet wurde.“
„Vielleicht nicht“, sagte Kade. „Aber wie man hört,
hat Tulak, als man ihn zuletzt lebend gesehen hat, von einem Wolfsrudel
erzählt, das um sein Haus herumschlich. Er sagte, er hätte das Gefühl, dass sie
ihn im Blick haben und nur auf eine Chance warten, um zuzuschlagen.“
Es frustrierte Alex gewaltig, wie hartnäckig
solcher Blödsinn sich bei den Leuten hielt, und besonders
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