Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
nur entweder gut oder böse sein?“
„Ja.“ Sie hatte noch nie genauer darüber
nachgedacht, musste aber zugeben, dass sie aus diesen klaren Kategorien einen
gewissen Trost bezog. Richtig war richtig, und falsch war falsch. Ihrer
Erfahrung nach verlief zwischen Gut und Böse eine sehr deutliche Grenze.
Und Kade hatte ihre Frage immer noch nicht
beantwortet.
Zu ihrer Verblüffung streckte er die Hand aus und
strich mit den Fingern über ihre Wange, wo ihr eine zerzauste Haarsträhne ins
Gesicht gefallen war. Sie wusste, dass sie diese ungebetene Berührung
zurückweisen sollte, aber die Wärme seiner Liebkosung - so flüchtig sie auch
war - fühlte sich zu gut an. „Sie können ehrlich mit mir sein, Alex. Sie können
sich drauf verlassen, dass ich Ihnen nichts Böses will, was immer Sie mir
erzählen.“
Oh Gott, am liebsten hätte sie ihm alles erzählt,
sofort und auf der Stelle.
Sie kannte diesen Mann gar nicht, aber jetzt, als
sie so in seine Augen sah und immer noch die Hitzespur seiner Berührung auf
ihrer Haut spürte, wollte sie glauben, dass sie ihm wirklich vertrauen konnte.
In einem Winkel ihres Herzens, in dem sie immer noch ein verängstigtes kleines
Mädchen war, hoffte sie tatsächlich, dass er ihr helfen konnte, einige der
Dämonen zu bannen, die sie fast schon ihr ganzes Leben lang verfolgten.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie darauf kam, aber
plötzlich wusste sie: Wenn sie ihm von den Monstern erzählte, die ihre Mom und
ihren kleinen Bruder getötet hatten - dieselben Ungeheuer, die auch die Familie
Toms getötet hatten, da war sie sich inzwischen ganz sicher -, würde Kade sie
verstehen.
Ausgerechnet er würde ihr stärkster Verbündeter
werden.
„Sie können es mir sagen“, sagte er, seine tiefe
Stimme war so sanft und ermunternd. „Erzählen Sie mir von der Spur im Schnee.
Sie wissen, wer oder was sie gemacht hat, nicht wahr, Alex? Sagen Sie's mir.
Ich will Ihnen helfen, aber zuerst müssen Sie mir helfen.“
„Ich ...“ Alex schluckte schwer. Es kostete sie
mehr Anstrengung, als sie erwartet hatte, den Mut zu finden. „Was ich gesehen
habe ... es ist schwer, es auszusprechen ...“
„Ich weiß. Aber es ist okay, das verspreche ich
Ihnen. Ich glaube Ihnen.“
Nervös holte sie Atem, und hatte plötzlich
beißenden Zigarettenrauch und den Geruch von muffigen Kleidern in der Nase, er
kam irgendwo ganz aus der Nähe. Kaum hatte sie ihn registriert, als sie auch
schon Skeeter Arnold und ein paar seiner Kifferfreunde sah, die von der Bar
zurück zum Hinterzimmer schlurften. Skeeter, ein Handy mit Totenkopfmotiv in
der einen, ein Bier in der anderen Hand, hob im Vorbeigehen seine Flasche in
Kades Richtung.
„Danke für die Bierchen, Mann. Das war echt
anständig, Mann.“
Kade würdigte Skeeter kaum eines Blickes, aber Alex
konnte ihren Abscheu kaum verbergen. Und das kam ihr gelegen, denn durch den
Ekel, den sie vor Skeeter Arnold empfand, legte sich dieser vorübergehende
Wahnsinn wieder.
Wie hatte sie nur denken können, dass sie diesem
Fremden vertrauen konnte, der auf ihr spielte wie auf einem Instrument?
„Den scheinen Sie ja nicht sehr zu mögen“, sagte
Kade, und Alex schauderte innerlich vor Abscheu.
Sie grunzte. „Wissen Sie, das Video, das Sie
erwähnt haben - die Aufnahmen von der Familie Toms, die ins Netz gestellt
wurden? Das ist der Perverse da gewesen.“
Kades Augen wurden schmal, als sie sich quer durch
den Raum auf Skeeter fixierten. Sein Blick war mehr als nur intensiv - er war
tödlich. Und als Alex ihm zusah, bemerkte sie, dass die verschlungenen Tattoos
auf seinen Unterarmen, die unter den hoch geschobenen Ärmeln seines Hemdes
hervorschauten, nicht die Hennafarbe hatten, an die sie sich erinnerte. Sie
waren von einem tiefen Blauschwarz.
Nun, das war allerdings seltsam.
Vielleicht hatte sie ein Bier zu viel intus, wenn
sie sah, wie sich die Farben seiner Tattoos veränderten. Oder vielleicht hatte
sie sich falsch erinnert. Von seinem unerwarteten Anblick bei den Toms am
Nachmittag war sie ziemlich überrumpelt gewesen, sie hatte ihn halb nackt
gesehen, und er hatte einen unglaublichen Körper - da war es gut möglich, dass
sie sich bei der Farbe seiner Tattoos geirrt hatte. Nur hatte sie noch nie in
ihrem Leben so kunstvoll ausgeführte Tätowierungen gesehen, und das Bild, wie
er sich seine Jeans zuknöpfte, als hätte sie ihn eben aus dem Bett geholt,
hatte sich unauslöschlich in ihre Erinnerung eingebrannt.
Nachdem er Skeeter Arnold eine
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