Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
Schatten gerückt.
Ich wollte dich dafür hassen, dass du weg bist.
Verdammt, vermutlich tu ich das auch.“
„Wenn du eine Entschuldigung dafür brauchst, was du
getan hast, von mir aus“, stieß Kade wild hervor. „Schieb die Schuld ruhig auf
mich, aber wir wissen beide, dass du nur rechtfertigen willst, was du tust.“
Seth quittierte das mit einem knurrenden Lachen,
das tief aus seiner Kehle drang. „Du meinst wirklich, ich bin auf
Rechtfertigung aus? Oder auf irgendeine Art Absolution? Ich töte, weil ich es
kann. Ich will nicht damit aufhören, weil es inzwischen ein Teil von mir ist.
Es macht mir Spaß.“
Kade drehte es den Magen um. „Wenn das wahr ist,
tut es mir leid um dich.
Du bist krank, Seth. Ich sollte deiner Not ein Ende
machen ... und zwar sofort.“
„Solltest du“, erwiderte Seth tonlos. „Wirst du
aber nicht. Du kannst es nicht, weil ich immer noch dein Bruder bin. Deine
eigene strenge Moral würde dir nie erlauben, mir was anzutun, und das weißt du
genauso gut wie ich. Das ist eine Grenze, die du nie überschreiten wirst.“
„Sei dir da nicht so sicher.“
Als er das sagte, ertönte ganz in der Nähe wieder
das Wolfsgeheul, das er vor einigen Minuten gehört hatte. Kade warf einen Blick
über die Schulter auf die dichte Kiefern- und Fichtengruppe in der Dunkelheit
und spürte die wilde Aufforderung durch seine Adern schießen. So musste es auch
bei Seth sein.
Er wollte seinen Bruder hassen, aber es gelang ihm
nicht.
Und obwohl Seth diese Drohung verdient hatte,
wusste Kade im tiefsten Innern, dass Seth recht hatte. Er würde sich nie
überwinden können, Seth etwas zuleide zu tun.
„Wir müssen diese Scheiße aus der Welt schaffen,
Seth. Du musst mich dir helfen lassen ...“
Als er den Kopf wieder umwandte, um seinen
Zwillingsbruder anzusehen, war da nur noch die leere Winterlandschaft ... und
die bittere Erkenntnis, dass jede Hoffnung, Seth zu retten, mit ihm
verschwunden war.
18
Jeder Schritt war eine Tortur.
Jeder Quadratzentimeter seines nackten Körpers war
vom UV-Licht wund und mit Blasen bedeckt, und sein gewöhnlich rascher
Heilungsprozess wurde durch die Schussverletzungen aufgehalten, die seinen
Oberschenkel und seinen Bauch aufgerissen hatten. Frisches Blut würde die
nötige Regeneration beschleunigen. Sobald er getrunken hatte, würden sein
Gewebe und seine Organe innerhalb von ein paar Stunden heilen, ebenso seine
Haut. Aber er konnte es nicht riskieren, auch nur eine Minute länger ohne einen
geeigneten Unterschlupf zu verbringen.
Er hatte das Tageslicht knapp überlebt, nachdem die
Menschen in der Höhle auf ihn gestoßen waren und er gezwungen gewesen war, von
dort zu fliehen.
Blutend und verletzt war er durch die tödlichen
Sonnenstrahlen in die angrenzenden Wälder gerannt. Er hatte gerade noch Zeit
gehabt, sich ein Loch in einen hohen, festen Schneewall zu buddeln und sich
darin einzugraben, bevor seine vielen schweren Verletzungen seinen Körper
buchstäblich herunterfuhren und er ohnmächtig wurde.
Nun, kurze Zeit nachdem er wieder aufgestanden war
und angenehme Dunkelheit vorgefunden hatte, wusste er, dass er vor dem nächsten
Sonnenaufgang unbedingt einen neuen Schutzraum finden musste. Sich irgendwo in
Sicherheit bringen, damit er sich weiter erholte und kräftig genug für die Jagd
wurde, um seinen lädierten Zellen neue Nahrung zuzuführen.
Langsam und stockend schleppte er sich über die
mondbeschienene Schneedecke. Er verabscheute seine körperliche
Schwäche, hasste es, dass sie ihn an die Folter
seiner Gefangenschaft erinnerte. Doch jetzt trieb ihn seine Feindseligkeit an
und zwang seine zerfetzten Beinmuskeln, sich zu bewegen.
Er wusste nicht, wie lange und wie weit er schon
gegangen war. Bestimmt Meilen seit der Höhle und seinem provisorischen
Unterschlupf im Schnee.
Vor ihm drang ein matter orangefarbener Schein
durch den Schleier der schemenhaften immergrünen Baumstämme. Eine menschliche
Behausung, offenbar bewohnt und weit entfernt von allen anderen Anzeichen von
Zivilisation.
Ja, das würde genügen.
Langsam pirschte er sich vorwärts und ignorierte
seine Schmerzen, während er seine gesamte Konzentration auf die abgelegene
Blockhütte und die arglose Beute darin richtete.
Als er sich näherte, drangen leise Klagelaute an
sein Ohr. Schwach nur und gedämpft durch die dicken Holzwände und geschlossenen
Fensterläden. Aber es war eindeutig Kummer. In der Hütte weinte eine Frau.
Das Raubtier schlich zur Hauswand und
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