Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, als sie ihn ansah. Als
Zach sie in der Dunkelheit böse anstarrte, begann sie unkontrolliert zu
zittern.
„Alles in Ordnung mit dir? Du bist ja weiß wie ein
Laken.“
Sie schüttelte den Kopf und zuckte unbehaglich mit
den Schultern. „Bloß ein bisschen ausgelaugt, das ist alles.“
„Glaub ich gern“, meinte er. „Hör mal, tut mir
leid, dass ich vorhin so kurz angebunden war. Aber in letzter Zeit geht hier
alles den Bach runter.“
Alex schluckte und nickte. Er hatte ja keine
Ahnung.
Vertrau von jetzt an nur noch mir . . . Erzähl
keinem, was du hier drin gesehen
hast, Alex. Versprich's mir.
Kades Worte gingen ihr durch den Kopf, während Zach
sie erwartungsvoll ansah. „Und? Du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit,
zumindest im Moment. Worüber wolltest du mit mir reden?“
„Ahm ...“ Alex suchte verzweifelt nach einer
Antwort und fühlte sich unter Zachs prüfendem Blick seltsam unbehaglich. So,
wie er sie ansah, schien er irgendetwas zu vermuten oder sogar einen Verdacht
zu haben. „Ich war ... ich hab mir natürlich Sorgen um Big Dave gemacht. Wie
geht es ihm? Was glaubst du, äh, kommt er durch?“
Die Fragen kamen ihr nur schwer über die Zunge,
denn ihr Herz hämmerte immer noch wild wegen der Ereignisse in der Klinik.
Zachs Blick wurde noch eine Spur prüfender. „Du
hast ihn dir angesehen, stimmt's?“
Sie schüttelte den Kopf, gar nicht sicher, ob es
ihr gelingen würde, überzeugend zu lügen.
„Hab ich dich nicht reingehen sehen - dich und
deinen, ahm, neuen Freund?“
Er betonte das Wort unnötig scharf. „Wo ist der
überhaupt? Immer noch da drin?“
„Nein“, platzte es förmlich aus ihr heraus. „Keine
Ahnung, wovon du redest.
Kade und ich waren die ganze Zeit hier draußen. Er
ist schon weg.“
Zach sah nicht so aus, als ob er ihr das abkaufte,
aber bevor er sie weiter in die Mangel nehmen konnte, ging die Tür der Klinik
auf, und Fran Littlejohn trat auf die Treppe. „Officer Tucker! Wo ist Zach?
Jemand soll auf der Stelle Officer Tucker holen!“
Alex starrte sie mit wachsender Furcht an, als Fran
mit raschen Kopfbewegungen die Menge absuchte.
„Hier“, rief Zach. „Was ist denn?“
„Oh, Zach!“ Die Krankenschwester stieß einen
Seufzer aus und ließ die molligen Schultern sinken. „Ich fürchte, wir haben ihn
verloren. Ich hatte ihm gerade noch eine Dosis Beruhigungsmittel gegeben und
mich allerhöchstens eine Minute weggedreht. Und als ich wieder hinschaute, sah
ich, dass er gestorben war. Big Dave ist tot.“
„Gottverdammt“, murmelte Zach. Obwohl er mit Fran
sprach, warf er Alex einen scharfen Blick zu. „Sonst keiner da drin bei dir,
Fran?“
„Nur ich“, erwiderte sie. „Der arme Dave. Und armer
Lanny. Gott segne die zwei.“
Leises Gemurmel ging durch die Menge, Gebete wurden
geflüstert, und Alex räusperte sich. „Ich muss los, Zach. Es war ein langer
Tag, und ich bin echt k. o. Also wenn du keine Fragen mehr hast ...“
„Nein“, sagte er, aber sein Blick war misstrauisch,
offenbar akzeptierte er nur widerwillig, was er gerade gehört hatte. „Geh ruhig
heim, Alex. Wenn ich dich brauche, weiß ich ja, wo ich dich finde.“
Sie nickte, drehte sich um und ging. Doch es wollte
ihr nicht gelingen, das seltsam bedrohliche Gefühl abzuschütteln, das seine
Bemerkung hervorgerufen hatte.
Ungefähr fünf Meilen außerhalb von Harmony, tief in
der vereisten Wildnis, ließ Kade die Last von Skeeter Arnolds leblosem Körper
von den Schultern gleiten und in eine tiefe Schlucht fallen.
Nachdem die Leiche des Lakaien außer Sichtweite
verschwunden war, blieb er eine Weile stehen, sog die bitterkalte Luft in seine
Lungen und stieß sie als Atemwolke wieder aus. Dabei starrte er in das
unendliche Nichts, das ihn umgab. Der Himmel war dunkel verhangen, die
schneebedeckte Erde schimmerte mitternachtsblau im Sternenlicht des
Nachmittags. In den fernen Wäldern heulte ein Wolf, lang anhaltend und klagend,
um sein Rudel für die Jagd zusammenzurufen. Die Wildheit seiner Umgebung rief
nach Kade, und für einen kurzen Moment war er versucht, dem Ruf nachzugeben.
Versucht, das Chaos und die Verwirrung zu
ignorieren, die er in Harmony hinter sich gelassen hatte. Versucht, der Angst
davonzulaufen, die er in Alex ausgelöst hatte, und der unangenehmen Aufgabe,
ihr die Wahrheit zu sagen, wenn er zurückkam.
Würde sie ihn für das, was er ihr zu sagen hatte,
hassen?
Würde sie vor Abscheu zurückschrecken, wenn
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