Lass den Teufel tanzen
Frau
Mariannina sagt ihm oft: zu viel Fantasie! Und so würde er sich am liebsten unsichtbar machen, um das Gutshaus unbemerkt betreten zu können.
Und dann ist da noch der andere Narduccio, der am liebsten beide Schuhe ausziehen und Fersengeld geben würde, weglaufen von dieser Finsternis, die bald vollkommen sein wird, weg von diesem Zaun und von den Gedanken, die, wenn sie sich im Kopf der Menschen festgesetzt haben, nur Schaden anrichten, wie ein Bohrer, der sich durch eine Steinhöhle frisst und fräst, Gedanken, die selber zu Steinen werden und die du dir nicht einmal mit Kanonenschüssen aus dem Kopf reißen kannst.
Der Narduccio, der dort hineinwill, zieht sich den Schuh wieder an und senkt dabei den Blick auf seine muskulösen und dicht behaarten Beine, die unter dem kurzen Rock hervorblitzen. Im Grunde weiß ein Mann so lange nicht, wie seine Beine beschaffen sind, bis er sich einmal als Frau verkleidet. In diesem Moment sieht er sie zum ersten Mal, weil es so ist, als würde er den Körper eines anderen Menschen betrachten. Und er begreift etwas über sich selbst, das ihm bis dahin nicht bewusst war. Jetzt trifft der Narduccio, der ins Gutshaus will, eine Entscheidung; er drückt das Zauntor auf, das nur angelehnt war, und nähert sich, ohne allzu viel Lärm zu machen, der verglasten Eingangstür, hinter der die ebenerdige Küche liegt.
Und nun vergisst Narduccio den Schmerz in seinen Füßen, vergessen sind die Wolken, aus denen Regen droht, der Karneval und all die Bücher und Filme, die er gelesen und gesehen hat. Er steht ganz still da, wie eine Vogelscheuche auf dem Feld.
Die behaarten Frauenbeine werden ihm schwer, kaum einen Schritt kann er gehen, kaum ein Wort vermag er zu sagen, weil ihm die Zunge im Mund so angeschwollen ist, dass er fast nicht mehr atmen kann. Nie zuvor hat ihm das Leben so klar vor Augen gestanden, so vollkommen. Er spürt, wie ihm die Züge entgleiten, wie ihm das Gesicht zur grotesken Fratze wird, zur Maske erstarrt.
Dann, als hätte jemand den Pfropf in seinem Inneren gelöst, spürt er, wie ihm das Blut wieder durch die Adern fließt. Einen Moment lang hat es den Anschein, als wollte er fliehen. Dann hält er inne, dreht um, drückt gegen die Glastür und tritt in die Küche von Terranera.
Sofort steigt ihm ein starker Geruch in die Nase, eine Mischung aus totem Bock und verbranntem Synthetikstoff. Angelo Santo sitzt mit dem Rücken zu ihm, tief in sich zusammengesunken in seinem Rollstuhl. Gerade versucht er, den Schlauch des Katheters wieder festzumachen, der seitlich an seinem Rollstuhl hängt. Danach wischt er sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, das er unter dem Wasserhahn der Spüle angefeuchtet hat.
Jetzt steht Narduccio mitten im Zimmer. Stumm betrachtet er den Alten.
»So, so, Compare Narduccio, scheint Euch das die passende Zeit zu sein, mir einen Besuch abzustatten?«
Narduccio bleibt stumm.
»Eine schöne Verkleidung habt Ihr Euch da ausgesucht, mein Kompliment. Allerdings begreift man nicht recht, ob Ihr die Leute zum Lachen bringen wollt, ob Ihr ihnen Angst einjagen oder sie abstoßen wollt. Mich persönlich bringt Ihr ein wenig zum Lachen, und ein bisschen widert Ihr mich
an… Aber Ihr wisst es ja, Compare Narduccio, dass Ihr mich immer ein wenig angewidert und ein wenig erheitert habt.«
Noch immer schweigt Narduccio.
»Und … wie geht es Eurer Frau? Was für eine schöne Frau! Was für ein stattliches Täubchen! Nichts für ungut, Narduccio, aber hier im Dorf gibt es wohl kein einziges männliches Wesen, das sich bei ihr nicht schon so seine Gedanken gemacht hat … und was für Gedanken! Ha, ha, ha. Und Ihr verliert den Kopf bei einem Mädchen von dreizehn Jahren! Steigt Ihr ihr jetzt auch schon des Nachts nach?«
»Was sagt Ihr? Mistkerl, haltet den Mund!«
»Aber ich bitte Euch, setzt Euch doch. Wolltet Ihr mir nicht etwas sagen? Nehmt Euch einen Stuhl. Was macht Ihr für ein böses Gesicht, Compare? Wie? Ihr habt den Teufel in Person gesehen? Heute ist die Nacht des Karnevals, und wer weiß, wie viele arme Teufel heute unterwegs sind und ihren Schwanz hinter sich herschleppen … und ihre Hörner auch! In der Nacht des Karnevals steht die Welt Kopf, und man sieht eine Sache ganz anders, als sie wirklich ist … Die Wahrheit ist, dass ihr jungen Leute einfach zu viel Fantasie habt.«
»Was redet Ihr da?«
»Na, na, Compare Narduccio, nun werdet nicht gleich wütend, was wollt Ihr denn machen? Die Welt ist doch ein großes
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