Lass den Teufel tanzen
zurückziehen. Auf einem weiteren
Feldbett in der Küche, das über Tag als Sofa genutzt wird, schläft Donna Aurelia. Es gibt weder fließendes Wasser noch eine Toilette. Auf der Kommode steht eine große Glasglocke, darunter eine Madonnenfigur mit ausgebreiteten Armen, als wollte sie sagen »Was wollt ihr von mir? Ich kann da nichts tun!«, und einem Blick, der ein wenig ins Leere geht.
Kaum sind sie eingetreten, werden der Barbier, der Makler und der Polizist empfangen, als handelte es sich um den Bischof, den Kardinal und den Papst höchstpersönlich. Wer gerade noch saß, steht auf, um ihnen einen Platz anzubieten. Man huldigt ihnen, so wie die Leute es bei Don Filino tun, wenn er zu ihnen nach Hause kommt, um ihnen den Ostersegen zu spenden. Sofort wird Likör angeboten, den sie auch nicht abschlagen. Donna Aurelia hat die Hilfe der Nachbarinnen angenommen und den Tisch aus der Mitte des Raumes weggerückt, um Platz zu schaffen. An seiner Stelle hat sie ein großes Laken sorgfältig auf dem Boden ausgebreitet, denn genau hier auf diesem Betttuch wird gleich das Spektakel des Dämonen stattfinden, der zum Tanzen gebracht wird. Indessen legen die Nachbarinnen auf dem rituellen Betttuch ihre Gaben ab. Die eine bringt zwei bunte Schals, der erste rot mit gelbem Blumenmuster, der zweite grün mit einfarbigen aufgestickten Blumen. Eine andere Nachbarin hat eine Minzepflanze und zwei Weinrauten mitgebracht und stellt sie am Rand des Tuchs ab. Etwa in der Mitte der kleinen weißen Bühne hat jemand ein Bildchen fallen lassen, das den heiligen Paul mit einem Stock in der Hand zeigt, wie er eine Schlange auf dem Boden zertritt. Eine junge Frau, eine Kusine von Solimene, die ein kleines Kind auf dem Arm trägt, lässt gelbe und rote Bänder auf das Laken regnen;
ein Vetter Donna Aurelias ist mit seiner Frau und der Tochter da, einem etwa zehnjährigen, pummeligen kleinen Ding mit Schleife im Haar, Söckchen, Lackschuhen und dem guten Kleidchen, als ginge es zu einer Taufe oder Hochzeit. Unter die anderen Zuschauer hat sich auch ein Kind eingeschmuggelt, von dem niemand weiß, zu wem es gehört, worauf aber keiner achtet. Es ist ein Junge, der kurze Hosen und ein schmuddeliges Unterhemd trägt und sich immer wieder mit dem Handrücken den Rotz von der Nase wischt. Mittlerweile stehen alle am Rand des Bettlakens und warten darauf, dass das Fest beginnt.
Nachdem alle ihren Rosenlikör ausgetrunken haben, nehmen die Musikanten auf den Stühlen Platz und legen sich ihre weißen Handtücher über die Schultern, damit sie den Schweiß aufsaugen. Sie erinnern an Messdiener, die sich auf das Hochamt vorbereiten. Donna Aurelia hat ein Stück Stoff um ihre Hand gewickelt und nimmt vorsichtig das Tamburin von der Wand, das dort an einem Haken hing. Es ist das Tamburin, das vor Jahren aus der Haut des Lieblingsschafes der Familie gemacht wurde. Ein kleines Tier, das sich durch seinen Tod in Musik verwandelt hat. Als letzte Geste der Liebe hat das Tier seinen Herren seine Haut überlassen, damit sie auf ihr Musik machen und damit eines Tages die Dämonen aus der Welt vertreiben können.
Auf einem Stuhl ganz hinten im Zimmer sitzt, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, breitbeinig und mit gesenktem Kopf, Nunzio Solimene und rollt sich eine Zigarette. An seinen Ausdünstungen ist zu erkennen, dass er betrunken ist, und man sieht es auch den unkoordinierten Bewegungen an, die er mit dem Kopf und den Händen macht. Er hat keinem
der Neuankömmlinge ins Gesicht gesehen, noch hat er sie begrüßt, doch als die Musikanten eintreten, sagt er ganz leise, fast wie zu sich selbst, etwas, das jedoch niemand versteht. Dann zündet er sich die Zigarette an.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers und jenseits des Lakens liegt Archina ausgestreckt auf dem Feldbett und schaut niemanden an. Stattdessen starrt sie an die Wand neben ihr, als würde dort irgendein Film ablaufen. Das Tuch mitten auf dem Boden sieht aus wie ein Ring, in den gleich zwei Boxer steigen werden, um sich einen Kampf auf Leben und Tod zu liefern.
Don Vincenzo Epifani rückt das Handtuch über seinen Schultern zurecht, klemmt sich die Geige unter das Kinn und beginnt mit einer Abfolge von Akkorden. Do … do … do, fragt sich die Geige mit einem zischenden, wiederholten Laut. Do … do … do kommt das Echo der Ziehharmonika des Maklers wie zur Bestätigung. Dann greift Uccio Blasi zur Gitarre und schlägt die ersten Töne an.
Jetzt tauschen Epifani, Don Luigi und Uccio
Weitere Kostenlose Bücher