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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa De Sio
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eines gewissen Epifanio Ferdinando di Mesagne im Gedächtnis, der am Hof der Prinzessin Farnese in Parma Arzt, Priester und Exorzist in Personalunion gewesen war und jene Vorgänge minutiös beschrieben hatte. Es handelte sich folglich um eine althergebrachte, tief verwurzelte Tradition, und Don Filino wusste, dass eine solche Tradition aus alter Zeit wie einer der Baumriesen in Afrika, Amazonien oder an anderen unerreichbaren Orten der Welt ist, bei denen man schon angesichts des breiten Stamms und des endlos langen Namens erahnen kann, wie dick seine Wurzeln sind und wie tief sie in die Erde reichen. Und so fühlte sich Don Filino Rezza auch angesichts der Geschichten von der taranta , wie man den Spinnentanz nannte, wie ein kleiner, ohnmächtiger Holzfäller, der vor einem jener gewaltigen Bäume steht, in der Hand nur eine winzige Säge und um sich herum das unendliche Amazonien.
    Nach dem Gespräch mit Donna Aurelia hatte Don Filino jedenfalls das Gefühl, dass in ihm die Neugier auf die Geschichten von Spinnen und Spinnenbissen erneut entbrannt war. Und er begann, sich mit dem Thema zu befassen. Er las den dalmatinischen Arzt Giorgio Baglivi. Er las Ludovico Valletta, einen Mönch vom Orden der Celestiner, der lange Zeit im Kloster zu Lucera gelebt hatte, mehrere Male die Ebene des Tavoliere durchquert hatte, um die taranta zu beobachten, und das Buch De Phalango Apulo geschrieben hatte.

    Doch trotz dieser Lektüren gefiel Don Filino der Gedanke nicht, dabei zuzusehen, wie seine schöne Halbinsel Salento begann, sich ganz allmählich vom Festland zu lösen und davonzutreiben.
    Er stellte sich ein riesiges Floß von Tausenden Morgen vor, das sich in gemächlichem und feierlichem Tempo in Bewegung setzte. Und auf diesem Floß, das sich früher einmal Salento genannt hatte, befanden sich Hunderte von Frauen und Männern, die ganz allmählich abgetrieben wurden, ohne es zu merken, so sehr waren sie damit beschäftigt zu tanzen und sich das Hirn von jener wilden, ohrenbetäubenden Musik wegfressen zu lassen.
    Wenn er die Frauen in der Kapelle von Galatina tanzen sah, wäre Don Filino wenigstens gerne ein Dichter gewesen, um ihre Körper kunstvoll – und damit ohne Sünde – beschreiben zu können. Er hätte es so getan, wie es alle Dichter tun, indem er die weibliche Nacktheit mit Dingen aus der Natur verglich, mit Flüssen, Bäumen, Blumen, Hügeln oder auch mit Tieren wie Katzen, Tigern, Pferden oder Eidechsen. Nichts schien ihm auf poetischer Ebene besser gelungen als die Vergleiche von Körperteilen einer Frau mit Dingen aus der Natur. Doch der »Karneval« in Galatina hatte es nie geschafft, aus Don Filino einen Poeten zu machen. Hinter diesem Treiben konnte er einfach nichts anderes erkennen als einen traurig trägen amazonischen Fluss, in dem die Frauen schwammen und wie schwarze Fische versuchten, gegen den Strom anzukämpfen. Und vielleicht war es ja doch auch ein Werk des Bösen.
    Drei Tage nach der Begegnung mit Donna Aurelia im Beichtstuhl hörte Don Filino von zwei Frauen aus seiner
Gemeinde beim Verlassen der ersten Morgenmesse, heute würden die Musikanten ihre Instrumente in einem gewissen Haus im Dorf zum Klingen bringen, weil dort ein junges Mädchen von der Tarantel gebissen worden sei. Und so kam es, dass er an jenem heißen Morgen Ende Juni seinen Talar aus leichter Baumwolle überstreifte, das Gebetbuch einsteckte und zum Haus der Solimenes aufbrach, um den Teufel persönlich zu treffen.
    Erster Tag
    GEGEN MITTAG SCHICKT die Sonne heiße Schwaden zur Erde, die nach Hornissenfutter riechen. Heute ist der Wind im Salento besonders heiß, er weht in geringer Höhe und hat eine langsame Gangart, wie bei einer Prozession. Vom strahlend blauen Himmel hängen unsichtbare Fäden, daran befestigt Vögel, Schmetterlinge, Wespen und Bremsen, die um die Blumen, die Sträucher und die Bäume schwirren wie ein riesiger, brummender Motor. Die Mistkäfer, an denen winzige Kothaufen hängen, haben bereits ihren Dienst in den Gärten hinter den Häusern aufgenommen und ziehen ihre kleinen stinkenden Bündel zu ihrem Bau. Weder durchbricht der Wind die Stille noch stört er das Treiben der Insekten. Neben der Straße, die am Haus der Solimenes vorbeiführt, verläuft ein kleiner Abwasserkanal, dessen trübes Wasser einen baufälligen Gehsteig mit lauter Schlaglöchern und kaputten Pflastersteinen unterspült. In den üblen Gestank aus der Kloake mischt sich der intensive Geruch nach Tomaten, die in Öl und

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