Lass den Teufel tanzen
mit Zwiebeln an. Als das Fleisch rundum Farbe angenommen hat, gießt sie es mit einem Liter Tomatensauce auf und gibt Karotten, Sellerie sowie zwei Lorbeerblätter hinzu, die sie seit vorigen Abend in etwas Öl mit Peperoncini mariniert hat. Als das Gericht zum ersten Mal aufkocht, hebt sie mit dem Kochlöffel ein wenig von dem weißlichen Schaum ab, der an die Oberfläche kommt und den man nicht isst, weil darin – aber das denkt nur Filomena – die Seele des Tiers enthalten ist, und die Seele eines Tiers isst man nicht. Diese Dinge macht man am besten gleich, weil Pferdefleisch
mindestens vier Stunden kochen muss, und so wird das Mittagessen für die Musikanten bereits fertig sein, wenn Musik und Tanz zum ersten Mal Pause machen.
Zu genau der Zeit, in der man überall sonst in Mangiamuso, zum Beispiel bei den Grecos, auf dem Gutshof Terranera oder im Haus des Bürgermeisters Siani, höchstens das Aroma des ersten Morgenkaffees riecht, breitet sich in der Wohnhöhle der Solimenes innerhalb weniger Minuten der strenge und süßliche Geruch nach totem Pferd aus, das inmitten von Zwiebeln wiederauferstanden ist.
An diesem zweiten Tag wacht Archina gegen acht auf, weil der Geruch des geschmorten Pferdefleischs durch den karierten Vorhang dringt, hinter dem ihr Bett und das ihrer Schwester stehen. Heute Nacht hat sie ein wenig länger geschlafen als sonst und stark geträumt. Sie hat von Wolken geträumt, von einem Haus, in dem es brennt, von zwei Katzen, die mit einem Band spielen, von einem geschlachteten Schwein mit spindeldürren Beinen, einer Maus, dann von einem anderen Tier mit flammendem Maul, einem schwarzen Kopftuch mit roten Schleifchen, einem schwarzen Hund, der Severino die Hand ableckt, einem schwarzen Berg mit hohem Gipfel, einem riesigen Rad mit einer Tür mittendrin und vielen Menschen, die in einer Prozession hindurchgehen, während von zwei Seiten des Rades Hunde und Vögel mit langen Schnäbeln kommen, die zu Tarantelmäulern werden, von einem toten Skorpion und einem toten Pferd.
In Kürze werden von Neuem die Nachbarn kommen, um der Musik zu lauschen, das von der Tarantel gebissene Mädchen
zu bestaunen und zu sehen, ob der Teufel und das Gift heute ihren Körper verlassen werden. Auch der Barbier, der Makler und der Polizist mit ihren Instrumenten werden zurückkehren. Wenn die Musikanten eintreffen, wenn sie grüßen und ihre Mützen abnehmen, wird Archina bereits mitten im Zimmer auf dem Bettlaken liegen, wieder umgeben von den Bildchen des heiligen Paul, den Pflanzen, den Bändern und den bunten Schals. Gegen Mittag wird die Musik einsetzen. Heute schlägt Donna Aurelia vor, das Konzert gleich mit der pizzica des heiligen Paul zu beginnen, da das junge Mädchen auf diese Tarantella besonders gut angesprochen und gleich mit dem Tanzen angefangen hat.
Santu Paulu meu de Galatina
Facitene ’na grazia stammatina
Santu Paulu meu de Galatina
Fate la grazia fia pe’ ’ta figliola. 8
Filomena sitzt auf der Kante der Liege, die an die Wand gerückt ist, und hat begonnen, ein Stück Brot mit geschmortem Pferdefleisch zu verzehren. Ihr ist vor den anderen der Hunger gekommen, weil sie bereits so früh aufgestanden ist. Sie isst und schaut zu, ohne teilzunehmen. Filomena gehört zu den Menschen, die nicht an Dingen teilnehmen, sondern sie vorbereiten, und in dieser Fähigkeit, das Leben so herzurichten, dass ein anderer Nutzen oder Genuss daraus ziehen
kann, liegt ihr ganzes Talent. Doch da sie dabei aussieht wie eine Milchkuh, hat es bislang nie einen Mann gegeben, dem diese Begabung aufgefallen wäre.
Heute beginnt als Erstes die Geige zu spielen, es ist eine klare, schlichte, einprägsame Melodie. Auf dem Betttuch hat Archina die Beine ein wenig gespreizt, sie liegt auf dem Rücken, ihr Körper bewegt sich in Wellen und in Zuckungen, sie schlägt abwechselnd mit den mageren Armen, die aussehen wie die Beine einer Spinne, auf den Boden, beginnt den Kopf hin und her zu werfen, ihn kreisen zu lassen, als wollte sie das Laken allein durch die Reibung abwetzen. Sie bäumt sich auf, streift mit dem Becken über das Betttuch, fährt die Krallen aus, hebt den Bauch und reckt den ganzen Körper in einem hohen Bogen nach oben. In dieser Haltung erstarrt sie einen Moment lang, dort unten, mitten auf diesem häuslichen Altar. Donna Aurelia singt.
Santu Paulu meu de le tarante
Ca pizzichi le carúse dint’all’anche
Santu Paulu meu de le tarante
Facitene ’na grazia e tutte quante.
Addò te
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