Lass den Teufel tanzen
zu beschreiben. Die Anwesenden nicken, als wollten sie sagen: »Das wissen wir sehr gut, aber was soll man machen?«
Der Priester, Don Filino Rezza, ist auch heute nicht zurückgekehrt. Vor zwei Tagen ist er weggegangen, hat sich in der Sakristei eingeschlossen und sich all seinen Kummer von der Seele geredet, darüber, dass das Hausfloß der Solimenes mittlerweile abgetrieben ist und so weit von irgendeiner Küste entfernt, dass weder er noch ein anderer Priester es erreichen könne. Dabei wäre es wahrlich nicht seine Aufgabe zu versuchen, sie alle wieder einzufangen, diese Seelen, die Kurs auf ungeweihte Gestade genommen haben. Er war doch immer ein Seelenhirte und kein Fischfänger! Dann sollen sie doch ihren Teufel endlich sehen, wenn ihnen so viel daran liegt! »Die Kraken«, so heißt es im Volksmund, »muss man immer in ihrem eigenen Wasser kochen!«
Hingegen sind auch an diesem dritten Tag die Fremden wieder da, die Filomena gestern so neugierig gemacht haben. Heute haben sie sogar ein cremefarbenes Aufnahmegerät mit allerlei bunten Schaltern dabei und setzen es in Betrieb, sobald die Musik beginnt.
Der Priester hat gut daran getan, nicht zu kommen. Heute ist die Atmosphäre in der Wohnhöhle düsterer. Die Nachbarn, die Kinder, die Verwandten sind alle etwas mitgenommen von dem starken Wind, der sie bis hierher begleitet hat, und von den schweren Takten der Musik an den beiden vorangegangenen Tagen, doch sie sind wiedergekommen, weil sie um nichts auf der Welt die Vertreibung der Spinne aus dem Körper jenes Mädchens verpassen wollen, und außerdem, weil man es eben so macht.
Archina hat sich auf das Feldbett gelegt, zurückgezogen in ihre von Spinnen, Tigern und anderen Gespenstern bevölkerte Welt. Niemand richtet das Wort an sie, und sie bleibt
in dieses triste himmelblaue Kittelchen eingeschlossen, von dem sie sich auch für den Tanz nicht trennen wollte. An den Gürtel gebunden trägt sie ihren vergilbten Beutel, doch heute hat Donna Aurelia ihr eine feuerrote Schärpe um die Taille geschlungen, in der ihr knochiger Körper noch mehr aussieht wie der eines Opferlämmchens als sonst.
Die Tarantel von heute wird eine stürmische Tarantel sein.
Die Musik setzt ganz plötzlich ein, auf ein Zeichen von Donna Aurelia, während in der kleinen Zuschauermenge immer noch leise geplaudert und Mutmaßungen darüber angestellt werden, wie lange die Behandlung wohl noch andauern wird, bis die junge Solimene endlich für gesund erklärt werden kann. Wenn sich das Mädchen heute vom Gift der Spinne befreit, wird man morgen nach Galatina gehen müssen. Dort soll dann die wundersam Geheilte in der Kapelle des heiligen Paul eine Zusammenfassung des ganzen Tanzes wiedergeben und dem Heiligen dafür danken, dass er ihr die Gnade der Genesung gewährt hat. Doch daran wird man morgen denken.
Indessen hat sich Archina erhoben. Heute hat es den Anschein, als würde sie den Takt der Musik mehr spüren als bisher. Ihre Augen jedoch sind immer noch starr auf jene weit, weit entfernte Welt gerichtet, die nur für sie die Mauer hinter dem Feldbett erleuchtet und unendlich vergrößert.
Santu Paulu meu de le tarante
Santu Paulu meu de le tarante. 12
Die Geige spielt mitreißend und schnell. Bogen, Messer, Klinge. Unmöglich, still zu sitzen. Unter den Anwesenden klatschen einige mit, andere tippen mit dem Fuß auf. Archina bewegt Beine und Knie und Füße in einer Reihe von Bewegungen, die dem Rhythmus folgen, ihn in Gesten umsetzen, ihn in Bilder verwandeln. Ihr magerer Körper ruckt und zuckt. Heute hat Donna Aurelia ihren schützenden Verband an der Hand nicht gut gewickelt. Kaum hat sie ein paar feste Schläge auf dem Tamburin getan, schürft sie sich die Haut auf, und das Blut fließt stoßweise zur Mitte des Instruments, auf dem eine Spinne abgebildet ist. Doch sie kann nicht innehalten, der Tanz geht weiter, und das Blut spritzt über anderes Blut, altes vertrocknetes Blut, das hier bei einem der anderen, lange zurückliegenden Nachmittage geflossen und geronnen ist, als man andere Teufel tanzen ließ.
Archina dreht sich im Kreis und um den Rand des Bettlakens herum, das schmutzig geworden ist, auch wenn keiner der Anwesenden es gewagt hätte, einen Fuß daraufzusetzen, denn es ist wie ein Altar, auf dem eine Messe getanzt wird.
Das Akkordeon haucht eine Musik, die am Anfang noch übermütig und fröhlich wirkte, doch dann, ganz allmählich, während zwischen der kleinen Tänzerin und ihrem Publikum die
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