Lass den Teufel tanzen
Hörner, Spinnenbeine, die Füße eines Schweins, und er beginnt sogleich zu tanzen. Bei jedem seiner Schritte bebt die Erde. Und während er tanzt, haucht der Teufel seiner kleinen Tänzerin etwas ins Ohr, wie ein Souffleur, der einem vergesslichen Schauspieler auf die Sprünge hilft. Archina hört Worte, die nicht ihr gelten können, und doch sind sie da, sie
schreien lauter als die Musik, lauter als die gesamte Musik des Universums, lauter als alle Tarantelle, alle Pizziche, alle Tamburine und alle Wirbelstürme der Welt. Sie entgleiten dem schweren Atem des Teufels wie spitze Pfeile, die aus einem Bogen flitzen, und bohren sich in ihre kleinen Ohren.
Der Teufel haucht und faucht: »Ach! Vater, das ist mein Blut, das du getrunken hast! Nimm es! Das ist mein Mittagsdämon, meine Hexe aus dem tiefen Süden, die die Zähne gefletscht hat! Hör nur! Das ist das magere Fleisch deiner Tochter, der Knochen, den du jedes Mal ausspuckst, so wie man die Gräten einer Sardine ausspuckt. In deinen Ohren pfeift die Angst, die das schwarze Pferd peitscht, wenn es Nacht wird, über dieser seelenlosen Puppe, die du doch auf die Erde herabgeschickt hast, Vater, die jetzt die Teufel aus einem jahrtausendealten Schlaf weckt, die zittert, während die Decke herabfällt und endlich wieder der Himmel zu sehen ist.
O heiliger Paul von den Taranteln,
O heiliger Paul,
Das ist mein Leib.
O heiliger Paul,
Das sind meine Beine,
O heiliger Paul,
Mach sie mir heilig,
Mach sie mir heilig.
Ich bin ein Weg für die Esel,
Ein Feld, von Bomben übersät,
Bei Nacht verbrannt,
Des Morgens erblüht.
O heiliger Paul von Galatina,
Gerodet und verbrannt,
Hügel – Wälder – Gewässer.
O heiliger Paul,
Speichel und Wasser,
Speichel und Spucke,
Speichel und Tränen,
Aus wilden Kräutern,
Speichel und Sperma,
Speichel und Blut.
O heiliger Paul
Von den Taranteln.
Sonntag und Montag
Mariannina und die Maus im Bauch
ALS NUNZIO SOLIMENE an jenem späten Nachmittag des Karnevalssonntags im Jahr 1956 den Garten vor dem Haus der Grecos betrat, hatte Donna Mariannina gerade die Wellensittiche gefüttert und stand im Eingang, an den Türpfosten gelehnt, reglos, die Arme vor der Brust verschränkt. Es schien, als stünde sie schon seit Stunden dort und wartete. Donna Mariannina war sehr schön, groß und dünn, sie hatte sich gut gehalten, obwohl sie ganze zwölf Jahre älter war als ihr Mann Narduccio. In diesem Moment beleuchtete die untergehende Sonne ihr Gesicht mit einem warmen Licht und ließ ihre Augen, die leuchtend blauen und schmachtenden Augen einer Normannin, wie zwei Goldmünzen aussehen, die am Grunde eines Tümpels liegen. Dank dieser immer ein wenig verträumten Augen hielten manche Donna Mariannina für dümmlich, allerdings von einer Art Dummheit, die Männer sehr verführerisch finden, vor allem wenn sie mit einem kurvenreichen Körper einhergeht, denn wenn Schönheit und Dummheit sich paaren, meinen viele Männer, das »Tier« erkennen zu können, von dem sie glauben, es schlafe in jedem weiblichen Wesen und könne ihnen, wenn man es zu gegebener Zeit erweckt, Sinnenfreuden im Übermaß schenken. Donna Mariannina jedoch war alles andere als dumm und hatte schon in recht zartem Alter erkannt, dass sie, wenn sie gewollt hätte, jeden Mann um den Finger
hätte wickeln können, indem sie ihm mit jenem vermeintlich verträumten Kinderblick Dinge verhieß, die sie ihm in Wirklichkeit nicht einmal im Traum gewährt hätte. Doch seit ihrer Jugendzeit war sie ein sehr ernstes und ausgeglichenes Mädchen von zurückhaltender Wesensart, die sie davon abgehalten hatte, jedwede Form von Täuschung oder Verstellung auch nur in Betracht zu ziehen. Einer der Männer, die dennoch ihren versonnenen Augen in die Falle gingen, war ausgerechnet jener Notar Marra, der einige Jahre zuvor das Testament überarbeitet hatte, in dem Don Salvatore Furno, zweifellos einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer von Mangiamuso, eine andere Frau, vielleicht eine uneheliche Tochter, zur Alleinerbin eingesetzt hatte, eine Frau, von der man im Dorf noch nie etwas gehört hatte.
Übrigens hatte es durchaus den Plänen Don Salvatores entsprochen, dass Mariannina erst durch seinen Letzten Willen von der Existenz jener Erbin erfahren sollte. Wahrscheinlich bildete er sich ein, seine Tochter würde mit ihrer Intelligenz und Herzensbildung alles verstehen oder doch vorgeben zu verstehen. Er hatte sie heranwachsen und eine offene, wenn nicht gar zu offene Denkweise an
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