Lass den Teufel tanzen
den Tag legen sehen, weshalb sie auch in den Augen der Dorfbewohner fast wie eine Zugereiste war, eine, die die Dinge auf ihre ganz eigene Weise betrachtete und damit stets im Widerstreit zu den Meinungen anderer zu stehen schien. Eine Fremde. Außerdem hatte sie in letzter Zeit begonnen, sich mit dem Burschen abzugeben, der viele Jahre jünger war als sie, mit einem roten Halstuch herumlief und allerlei verstiegene Ideen bezüglich der Löhne der Landarbeiter, der Halbpacht, des Herrgotts und anderer Weltanschauungen zum
Besten gab, über die sich Don Salvatore nicht äußerte und keine Kommentare abgab, weil es über gewisse Wirrköpfe nicht viel zu sagen gab. Denn auf gewisse Wirrköpfe war einfach kein Verlass.
Andererseits war es für ganz Mangiamuso eine ausgemachte Sache, dass Don Salvatore Furno ein großer Frauenheld und Schürzenjäger gewesen war.
»Mein Salvatore ist ein Mann von Welt«, pflegte seine Frau oft zu seufzen, ehe sie ihren endgültig letzten Schnaufer tat. Und jedes Mal, wenn sie es sagte, haftete ihren Worten ein kaum verhohlener Sarkasmus an, als wollte sie ihnen damit eine verborgene Bedeutung verleihen, die nur sie und ihr Mann kannten und die für Marianninas Mutter, wenn man nach dem dunklen Schatten urteilte, den man dann stets über ihr Gesicht huschen sah, ein Quell großen Kummers gewesen sein musste.
Folglich war Mariannina also nicht die Alleinerbin, und der Notar Marra wusste das.
Nun hatte sich der Notar, der auch ein Freund der Familie war und das Mädchen praktisch hatte aufwachsen sehen, trotz der Tatsache, dass er selbst verheiratet war und Kinder hatte, in Marianna verliebt, als das Mädchen etwa zwanzig war. Wie ein hässlicher Poet, der den Kopf verliert und sich vergebliche Hoffnungen macht. Dabei beachtete ihn Marianna gar nicht, und ihm fehlte der Mut, sie anzusprechen. So kam es, dass er sich in seiner einsamen Verliebtheit zu allerlei Hirngespinsten verstiegen hatte, die ebenso unangebracht wie verzweifelt waren.
Dann kam ihm die zündende Idee. »Die Frauen sind alle käuflich«, dachte er. Doch für eine schöne Frau wie die
junge Furno würde es gewiss nicht ausreichen, nur mit der Geldbörse zu winken. Bei ihr würde man mit Schlauheit zu Werke gehen und, warum auch nicht, die Möglichkeiten nutzen müssen, die gerade sein Beruf ihm bot. Ein fähiger Notar wie er, der viele Jahre über Grundbüchern gebrütet, unzählige Kaufverträge für Grundstücke, Schafe und Schweine beglaubigt oder die Testamente von Bauern überarbeitet hatte, könnte ja vielleicht tatsächlich die größte Befriedigung seines Lebens erlangen, indem er einen waghalsigen Nutzen aus Geheimnissen zog, die ansonsten aus Gründen der Berufsehre dazu verurteilt gewesen wären, für immer stumm in den Tiefen seiner Aktenschränke zu ruhen …
Gewiss war das Testament von Don Salvatore die Ausgeburt einer von Schuldgefühlen gepeinigten Seele. Und tatsächlich hatte Furno mit seinem Letzten Willen praktisch all seinen Besitz jener Unbekannten hinterlassen, bei der es sich, wie der Notar vermutete, um eine uneheliche Tochter handelte, während Marianna nur eine bescheidene Leibrente zuerkannt wurde.
Und so kam es, dass der Notar, obwohl es sich bei Salvatore Furno kraft seines Vermögens um seinen zweitbesten Mandanten nach Angelo Santo handelte, nicht zweimal nachdachte, bevor er das Dokument fälschte. Nach der neuen Version, mitsamt einer gefälschten und beglaubigten Unterschrift, wurde Marianna Furno zur Alleinerbin des Besitzes erklärt, zu dem außer einer beträchtlichen Liquidität und dem großen Familienanwesen auch mehrere Hektar Land, Obstgärten, Weinberge sowie zwölftausend Olivenbäume gehörten. Von der anderen Erbin fehlte in dem gefälschten Testament hingegen jede Spur.
Nun stellte sich der Notar den Moment vor, in dem er, nach dem Ableben von Don Salvatore, mit dem angesichts dessen Alters schon bald zu rechnen war, und nach der Verlesung des falschen Testaments, während die anderen Verwandten aufgebracht über die Tatsache, dass sie bei der Aufteilung des Erbes nicht bedacht worden waren – »Als wären wir nichts Besseres als Tiere, unglaublich!« –, die Kanzlei verlassen hätten, Marianna mit einem Nicken zu verstehen geben würde, sie solle noch einen Moment bleiben. Und wie sie, ein wenig überrascht, aber bildschön in ihrem Trauergewand, bleiben und ihm zuhören würde. Da würde er ihr alles sagen, würde den Schwindel aufdecken, und sie würde begreifen.
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