Lass den Teufel tanzen
einmal in eine Schwierigkeit geraten, die nicht, sagen wir, mit einer geliebten Person, einem Gefühl, einer Todesnachricht oder einer drohenden Krankheit zu tun gehabt hätte.
Dabei war Aurelia alles andere als ein genusssüchtiger oder schwacher Mensch angesichts der vielen Verführungen, mit denen das moderne Leben in jenen Jahren begann, die Moral so mancher schlichten und gottesfürchtigen Seele zu untergraben. Schließlich wollte sie den Fernseher ja auch gar nicht für sich selbst kaufen. Seit Archina begonnen hatte, ein so merkwürdiges Verhalten an den Tag zu legen, aus dem niemand schlau wurde, war allmählich auch Donna Aurelia mit ihrer Ruhe am Ende. Dabei konnte man gewiss nicht behaupten, es hätte in ihrem Leben nicht mehr als genug Ruhe gegeben! Aber dieses Kind war ihr Augenstern, sie hatte die Kleine auf die Welt gebracht, sie aufwachsen sehen und hätte für sie ihr Leben gegeben. Sogar das Tamburin hatte sie für sie, zusammen mit den anderen Musikanten, geschlagen. Und hatte in den drei Tagen der Tarantella ihre ganze Kraft als Musikantin eingesetzt, weil man genau das auch tun musste. Das hatte sie von ihrer Mutter gelernt, und die vor ihr von ihrer Großmutter. Wenn die Spinne dich beißt und dir das Leben vergiftet, dann kannst du das Gift nur loswerden, wenn du tanzt. Zwar hatte der Priester, Don Filino, das nicht begreifen wollen und ihr Anliegen nicht abgesegnet, aber, na gut, dann hatte sie sich eben an eine höhere Stelle gewandt, direkt an den heiligen Paul von Galatina, damit er ihr Gnade gewähre und der Musik Kraft schenke,
so wie das schon seit tausend Jahren war. Und so hatte sie die pizzica gespielt, die drei Tage währte, damit Archina vom Spinnengift befreit würde und genesen konnte. Und tatsächlich war ihr das Mädchen nach dem Tanz ein wenig ruhiger erschienen. Der Husten hatte nachgelassen, ihr Hautschorf war getrocknet, und sie hatte des Nachts keine schlimmen Träume mehr gehabt. Doch dann, vor nur zwei Tagen, an diesem Karnevalssamstag, an dem Archina zusammen mit Nunzio in ihrem weißen Kleidchen ausgegangen war, hatte Aurelia nur einen kurzen Blick auf ihr Gesicht werfen müssen, um zu sehen, dass die Teufel plötzlich wieder zurückgekehrt waren. Wenn es also nicht ausgereicht hatte, dass man die Musikanten rief und sie selbst beim Schlagen des Tamburins Blut vergoss, wenn es die Tarantella nicht geschafft hatte, die Teufel aus dem Kopf des Mädchens zu vertreiben, ja wenn also all die Dinge aus der Vergangenheit nicht genügt hatten, dann brauchte man ja vielleicht etwas, das direkt aus der Zukunft kam.
Aurelia spürte, dass eine Veränderung nötig war. Es war an der Zeit, dass im Haus Solimene etwas Außergewöhnliches eintrat, etwas, das ihrer dumpfen Monotonie ein Ende bereiten würde. Archina sagte also, da sei dieses Mönchlein, das sie nachts ersticke. Dass die Dunkelheit ihr Angst mache, und die Stille noch viel mehr. Gut! Dann brauchten sie eben etwas, das Licht und Lärm machte. Sie brauchten etwas Neues. Um die Teufel zu verjagen, brauchte man richtiges Teufelszeug – ganz genau, einen Fernsehapparat! Das war genau das Richtige, um Archina zu helfen, und außerdem trug sie sich ja ohnehin schon ein Weile mit dem Gedanken, ein solches Gerät anzuschaffen.
Die Idee, den Teufel mit Teufelszeug zu verjagen, hatte Donna Aurelia wie eine wahre Erleuchtung willkommen geheißen und war sogleich davon überzeugt gewesen, es handle sich um einen so gelungenen Gedanken, dass er gar nicht auf ihrem eigenen bescheidenen Mist gewachsen sein konnte, sondern ihr von irgendwoher geschickt worden war, von etwas oder jemandem, der hoch über dem irdischen Elend stand, nur damit sie daraus den richtigen Nutzen zog. Und so würde von diesem Moment an, und für den Rest ihres Lebens, für Aurelia die Idee des Fernsehens nur noch eins sein: der vollkommenste und unwiderlegbarste Beweis für die Existenz Gottes.
Gerade als Donna Aurelia, ganz in diese Überlegungen versunken, um den Fernsehapparat herumstrich, den sie sich ausgesucht hatte, um abzuwägen, welches Gewicht und welche Ausmaße er hatte und welche Transportmöglichkeiten sich ihr dadurch boten, hörte sie das Brummen einer Ape, die in genau diesem Moment vor dem Schaufenster von »Elektrogeräte Scavò« stehen blieb. Und es war die Ape der Familie Santo. Dann hatte sie also vorhin aus dem Busfenster richtig gesehen!
Candelora Santo stellte den Motor aus, stieg aus und kam auf den Eingang des Geschäfts zu.
Weitere Kostenlose Bücher