Lass den Teufel tanzen
in dem einzigen Haus auf der anderen Straßenseite wohnte, schlief zu dieser frühen Morgenstunde gewöhnlich noch, ganz an den äußersten Rand ihrer Seite des Ehebetts gerückt, damit ihr Gemahl, der Bürgermeister, sie nicht mit den Beinen belästigen konnte, wie es des Morgens oft vorkam, wenn er, kaum erwacht, bereits seine ganze Lust zeigte und sie ihr ganzes Desinteresse. Signora Siani fuhr aus dem Schlaf hoch
und versetzte ihrem Mann, dem Bürgermeister, vorsorglich einen Tritt vors Schienbein, der jedoch in Wirklichkeit noch in tiefem Schlummer versunken war und sogar schnarchte, nachdem er am Abend zuvor ein wenig zu sehr den Karnevalssüßigkeiten und dem Wein aus Manduria zugesprochen hatte. Instinktiv gab sie ihm die Schuld an der morgendlichen Störung, die sie aus dem Schlaf und aus ihrem Traum gerissen hatte. In diesem Traum war sie, die Signora Siani, nach Rom gezogen und ging auf einer hell erleuchteten Straße mit vielen Geschäften entlang, am Arm eines jungen Mannes, den sie sich stattlich und begehrenswert erträumte, auch wenn sie ihn niemals hätte genau beschreiben können, wie das ja in der schwebenden und nicht zu entziffernden Welt der Träume so oft der Fall ist. Jedenfalls war sie auf einen Schlag wach. Sie stellte fest, dass ihr Mann friedlich in seinem Exil auf der anderen Bettseite schlummerte, in mindestens einem Meter Sicherheitsabstand, dachte wehmütig an Rom und an den jungen Unbekannten zurück, fluchte über ihr verschwendetes Leben in diesem Dorf voller Trottel und hob die Beine aus dem Bett, da sie sich mittlerweile vollkommen sicher war, dass der Lärm und die Schreie nur aus dem Kinderzimmer ihrer beiden Söhne kommen konnten, und nachsehen wollte. Doch musste sie ihre Meinung rasch ändern, denn genau in diesem Moment riss im Haus gegenüber Donna Mariannina wie in Raserei die Haustür auf und stürzte schreiend auf die Straße. Signora Siani, deren Schlafzimmer im ersten Stock lag, lief ans Fenster und sah sie. Bis dahin hatte sie immer große Stücke auf diese wunderschöne Frau gehalten, die ihr gegenüber wohnte. Naturblond. Nicht wie sie, die zur ewigen Sklaverei von
Bleichmitteln verdammt war. Im Lauf der Jahre hatte die Sapúta sie verschiedensten Experimenten mit Wasserstoffperoxyd unterworfen, die zunächst auch recht zufriedenstellend gewesen waren. Dann jedoch, als der Niedergang dieser Frau seinen Lauf nahm und sie begann, sich von einer anständigen Friseurin in eine halb verwahrloste Säuferin zu verwandeln, hatte das Blond der Signora Siani immer wahnwitzigere Schattierungen angenommen, bis zu dem Tag, als ihr das Haar in grünen Büscheln vom Kopf stand. Und so hatte auch die Signora Siani, wie so manche andere Frau in Mangiamuso, die Sapúta ihrem Schicksal überlassen müssen und sich den Diensten einer verlässlicheren Friseurin in Maglie anvertraut.
Auch in Mittelmeerländern gab es Frauen, die von Natur aus blond waren, das wusste die Frau des Bürgermeisters sehr wohl. Es war das Blond, das von den Normannen stammte und sich über all die Jahrhunderte hinweg ebenso standhaft gehalten hatte wie der Stein mancher Burgen und Bauten, die ebenjene Normannen in ganz Süditalien verteilt hatten. Die Art von Gebäuden, die die Söhne der Signora Siani nur allzu gern auf einem Schulausflug besucht hätten, wäre denn an der Schule von Mangiamuso genügend Geld vorhanden gewesen, eine solche Exkursion zu organisieren. All diese Dinge hatte sie gelernt, als sie mit ihren Söhnen Hausaufgaben in Geschichte machte. Auch die hellen Augen waren ein normannisches Erbe. Und so war ihr jedes Mal, wenn sich ihre Wege mit denen von Donna Mariannina kreuzten, der Gedanke gekommen, die goldblonde Haarpracht und die himmelblauen Augen seien das Ergebnis einer unrechtmäßigen Aneignung, etwas, das das Schicksal
dieser Blondine nur aufgrund irgendwelcher Kompromisse mit den fernen Barbarenvölkern gewährt hatte. Wer weiß, welcher Natur wohl die unaussprechlichen Zugeständnisse gewesen sein mochten, die ihre Vorfahrinnen hatten machen müssen! Gewiss war das eine oder andere auch mit Gewalt erzwungen worden. Andererseits, nun ja, wenn eine nicht will, dann will sie nicht, und ein gewaltsames Entern ist nicht von Dauer, das hatte ihr Vater ihr eingebläut. Zu besser durchdachten und weniger althergebrachten Gedanken war die Signora Siani einfach nicht in der Lage. Und so kam es, dass das Naturblond der Donna Mariannina durch ihre Überlegungen bezüglich der Umstände,
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