Lass den Teufel tanzen
Fatima Santo blieb dagegen zusammengekauert wie ein Wachhund in dem kleinen Führerhaus des dreirädrigen Lieferwagens sitzen, mit einer Decke über den Beinen, geistesabwesend und reglos. Als sie Candelora eintreten sah, versteckte sich Donna Aurelia aus einem spontanen Instinkt heraus und weil sie einfach nicht wollte, dass alle etwas von ihrem Vorhaben erfuhren,
hinter der Stellwand, die den Bereich der Haushaltsgeräte von den Musikinstrumenten abtrennte, und versuchte, unbemerkt zu bleiben. Und tatsächlich gab Candelora vor, sie nicht gesehen zu haben, und ging direkt zum Tresen für die Instrumente. Aurelia hörte, wie sie den Verkäufer nach Gitarrensaiten fragte. Der Verkäufer sagte, ja, sie hätten genau die Marke und den Härtegrad, den ihr Bruder brauche, und begab sich in Richtung Lagerraum, um die Ware zu holen.
Während Candelora regungslos vor dem Tresen stand und wartete, traten drei junge Männer ein, die sie mit einem raschen und respektvollen Nicken grüßten und dann neugierig im Laden umherschlenderten. Ihren Gesprächen, denen Aurelia, hinter dem Paravent verborgen, lauschte, war zu entnehmen, dass sie Häute für gewisse Trommeln und Tamburine kaufen wollten, die sie beim Spiel auf der Piazzetta della Signuría, als Löwe, Ziegenbock und Totenkopf verkleidet, durchlöchert hatten.
An diesem Punkt trug sich eine wirklich seltsame Sache zu. Candelora Santo, die sich immer noch so verhielt, als wäre sie allein im Laden, begann kopfschüttelnd Selbstgespräche, die teilweise zu sehr genuschelt, teilweise aber gut zu verstehen waren. Ein bisschen klang es wie Beten und ein bisschen wie Verwünschungen. Aus ihrem Versteck gelang es Aurelia, Satzfetzen auszumachen wie: »Wir Armen, ach, wir Armen! Jesus, Josef, heilige Anna und Maria, ihr seid die Rettung meiner Seele!« Ohne dabei mit dem Flüstern aufzuhören, bekreuzigte sie sich mehrfach, blitzschnelle Bewegungen, an die sich jedes Mal ein Küsschen auf die Fingerknöchel anschloss. »Heiliger Peter und Paul, beschützet
diese Kreatur. Und diesen Verfluchten lasst in der Hölle schmoren. Narduccio Greco … dreimal verfluchter Teufel … Er hat das bekommen, was er verdient hat… Heilige Muttergottes, lass die ewigen Flammen um ihn lodern und rette Archina Solimene, die gut an dem getan hat, was sie getan hat, und die die Unschuld eines Engels besitzt. Ihr Seelen des Fegefeuers, bringt die Wahrheit ans Licht!« Wieder bekreuzigte sie sich mehrfach. »Der Herr sei mit uns! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!« Während dieses wirren Stoßgebets hatten die drei jungen Männer, die sich nur wenige Meter vom Tresen entfernt befanden, begonnen, so zu tun, als betrachteten sie die Musikinstrumente, versuchten dabei aber mit gespitzten Ohren zu verstehen, was diese alte Schachtel, die Santo, zu brabbeln hatte. Dabei warfen sie sich Blicke zu, als wollten sie sagen: »Aber was redet die da bloß? Ba! Wer soll das verstehen? Kapierst du das?«, während sie mit den Schultern zuckten und einander foppten. Die beiden einzigen Dinge, die man wirklich gut verstanden hatte, als hätte Candelora sie absichtlich betont und mit lauterer Stimme gesprochen, waren der Name Archina Solimene und der von Narduccio Greco gewesen.
Candelora Santo bezahlte die Saiten und durchquerte das Geschäft, ohne jemanden zu grüßen, wobei sie immer noch so tat, als wäre sie ganz allein. Auf diesem kurzen Weg erinnerte sie an ein Schiff mit schwarzen Trauersegeln, das direkt auf eine Klippe zufuhr, die von hohen Wellen umspült wurde. Und das unbeirrbar seinen Weg fortsetzte, als tobte ringsherum kein Sturm.
Donna Aurelia blieb ein paar Minuten reglos hinter der Stellwand stehen und versuchte, all die neuen Gedanken, die das Gestammel von Candelora in ihr geweckt hatte, zu ordnen. Nie und nimmer wäre sie bis zu diesem Zeitpunkt auf die Idee gekommen, Narduccio könne etwas Unrechtes mit Archina im Sinn haben. Sie spürte, wie ihr das Hirn und sogar das Blut in Wallung geriet. Was führte diese hässliche alte Schachtel von Candelora Santo im Schilde, was redete sie bloß? Und warum? Aurelia war sich sicher, dass die Santo die drei jungen Männer an den Trommeln sehr wohl gesehen und gehört hatte. Warum also dieses ganze Schauspiel? Narduccio ein verfluchter Teufel? Hatte sie vielleicht in all den Jahren einen Fehler gemacht, indem sie ihm vertraute und es zuließ, dass Archina so viel Zeit in seinem Haus verbrachte? Konnte man sich in einem
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