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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa De Sio
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antwortete: »Will mal sehen, ob ich meine Tochter mit diesem Narduccio erwische.«

    Aurelia wunderte sich. In all den Jahren hatte sie aus seinem Munde noch nie einen so langen und exakt formulierten Satz gehört. Außerdem sprach Nunzio nie über die Grecos, weder im Guten noch im Bösen, weshalb sie immer gedacht hatte, er habe vergessen, dass es sie überhaupt gab.
    Als Nunzio nach etwa einer Stunde zurückgekehrt war,
setzte er sich wieder hin und sagte: »Ich hab Hunger. Einen Mordshunger.«
    Doch auch in jener Nacht war Archina nicht nach Hause gekommen, und Aurelia machte sich ihre eigenen Gedanken. Zum Beispiel dachte sie, ein solch elendes Leben wie in dem Loch, das sie ihr Zuhause nannten, könne doch bestimmt nicht vorteilhaft für ein Mädchen sein, das dabei war, eine Frau zu werden, und dass es Archina vielleicht guttue, wenn sie mehr Zeit mit anständigen Menschen und in einem schönen Haus wie dem der Grecos verbringe. Und da Aurelia folglich davon überzeugt war, dass die Kleine die Nacht bei Mariannina und Narduccio verbrachte, hatte sie auch wesentlich besser geschlafen und war am nächsten Morgen mit dem Entschluss aufgewacht loszugehen und einen Fernsehapparat zu kaufen. Das war eine Idee, die ihr schon eine ganze Weile im Kopf herumspukte.
    Natürlich wäre weder im Dorf noch in den umliegenden Ortschaften auch nur ein einziges dieser Geräte aufzutreiben gewesen, weshalb sie bis nach Maglie fahren musste, wo es laut ihren Informationen ein Geschäft mit dem klangvollen Namen »Elektrogeräte Scavò« gab, in dessen Auslagen neben einem Mixer und einem Elektroherd auch mehrere wunderschöne Fernseher mit eingerahmtem Bildschirm, Antennen sowie allerlei Schaltern zu bewundern waren. Bis nach Maglie zu kommen, war für eine Frau wie Donna Aurelia, die seit ihrer Rückkehr aus Procida vor zwölf Jahren das Dorf kein einziges Mal mehr verlassen hatte, eine ausgesprochen große Unternehmung. Hätte man sie als kleines Mädchen länger in die Schule geschickt, und es wäre ihr vergönnt gewesen, das Buch Cuore zu lesen, so hätte sie auf der
Fahrt von wenigen Kilometern bestimmt an eine Geschichte aus diesem Buch gedacht, die von einer Reise vom Apennin bis in die Anden erzählte. Doch Donna Aurelia kannte diese Anden nicht einmal vom Hörensagen, und so trat sie die Fahrt im Autobus mit der dumpfen Unbeschwertheit eines Menschen an, der weder die Welt kennt noch über Fantasie verfügt und folglich allem, was da kommen mag, ohne Hoffnung, aber auch ohne Befürchtungen entgegensieht. Während der ganzen Busfahrt, die insgesamt kaum mehr als zwanzig Minuten dauerte, saß sie allein auf der letzten Bank des Busses und schaute regelmäßig hinter sich aus dem Fenster, um zu überprüfen, ob ihr jemand folgte. Allerdings hätte sie selbst auch nicht sagen können, warum sich jemand für das, was sie tat, interessieren sollte. Wen hätte denn überhaupt etwas gekümmert, was mit ihr zu tun hatte, zum Beispiel, wohin sie ging oder was sie machte? Und doch fühlte sich Donna Aurelia, wie sie da saß, die Einkaufstasche auf den Knien, im Herzen wie jemand, der einen Schritt macht, für den seine Beine viel zu kurz sind. Immerhin, das nötige Geld hatte sie, und sogar noch etwas mehr. Die Scheine lagen fein säuberlich zusammengerollt in ihrer Börse aus rötlichem Kunstleder, als wären es die mühsam vom Munde abgesparten Groschen eines Kindes, das sich damit Bonbons kaufen geht. Sie hatte das Geld absichtlich für diese außergewöhnliche Anschaffung beiseitegelegt, die Ersparnisse von etwa sechs oder sieben Monaten, die sich aus dem Überschuss des wenigen Haushaltsgeldes, das ihr Nunzio gab, sowie ihren eigenen Einkünften als Hebamme zusammensetzten, welche jedoch recht kümmerlich waren, weil sie im vergangenen halben Jahr gerade mal vier Kindern auf
die Welt geholfen hatte. Sie wusste ganz genau, dass Nunzio einer solchen Anschaffung niemals zugestimmt hätte, wo doch das Geld im Haus immer so knapp war. Und sie wusste auch, dass ihr dieser Mann, an dessen Lippen sie all die Jahre hing und für den sie sich vor die Straßenbahn werfen würde, wenn es denn in Mangiamuso eine gäbe, nicht einmal Gehör geschenkt hätte. Hätte sie ihn auf den Fernseher angesprochen, wäre er vermutlich eine Weile dagesessen, hätte so getan, als hörte er ihr zu, und wäre dann einfach aus dem Haus gegangen, ohne eine Antwort, ohne einen Blick. Als wäre sie, Donna Aurelia, nicht mehr als ein Bild an der Wand.

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