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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa De Sio
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Mangiamuso ist es mir gut gegangen. Procida ist eine wunderbare Insel, so schön wie dieses Salento, ohne euch und meinen
Vater und euren Bruder. Seht ihr mich durch das Fenster? Was ist denn aus der Ape geworden, mit der ihr damals, an jenem Tag, im ganzen Dorf herumgefahren seid, um überall herumzuposaunen, dass Narduccio Greco von Solimenes verrückter Tochter umgebracht worden war? Ist die auch vom Rost zerfressen?
    Und, erinnert ihr euch noch, ihr hässlichen alten Weiber? Ich erinnere mich noch sehr gut daran, was in jener Karnevalsnacht 1956 geschehen ist… Mein Vater hatte mich von eurem Haus weggezerrt, Hals über Kopf zerrte er mich über die Felder, als wir Narduccio gesehen hatten, der in Frauenkleidern hinter dem Fenster stand. Und ihr? Vielleicht seid ihr ja kurze Zeit später gekommen, vielleicht habt ihr gesehen, wie Narduccio mit eurem Bruder stritt, und vielleicht war das der Moment, wo ihr alles begriffen habt, alles, was da in eurem Haus vorging. Aber wehe, man würde im Dorf erfahren, was das wirklich für einer war, dieser Angelo Santo! Wehe, wenn alles ans Licht kommen würde! Auch das über Virginia und Severino, der sein Sohn ist, der Sohn von eurem Bruder … Nein, besser, man tut zu Hause so, als wäre alles ganz anders, und glaubt den Blödsinn, dass Nunzio der Vater des Neugeborenen war, und außerhalb erzählt man eben irgendeine Geschichte von einem verstorbenen Vetter. Es sind doch anständige Leute, die Santos! Alles nur, um ihren Besitz zu verteidigen, das Geld, die Ehre. Und Severino? Habt ihr jemals an ihn gedacht? Ihr habt ihn in dem Glauben aufwachsen lassen, er sei eine Waise…
    Dabei lebte die Mutter am anderen Ende des Dorfes. Aber ich, ich wollte das machen, diese Sache, die viel größer war als ich, ich wollte nach Neapel fahren und ihn holen, genau
an dem Morgen nach der Karnevalsnacht … Und ich hab ihn Virginia zurückgebracht. Aber was wisst ihr schon darüber, ihr alten Vetteln, was es heißt, wenn eine Mutter ihren Sohn liebt! Ihr habt Severino ja nicht mal zu essen gegeben. Und ihr, was habt ihr gegessen, in diesen fünf Jahren, die ihr im Haus eingesperrt wart, lebendig eingemauert, seit euer Bruder nicht mehr da ist? All das, was ihr versteckt hattet, als wir noch Kinder waren? All die Vorräte aus der Speisekammer? Und was esst ihr jetzt? Habt ihr angefangen, eure heilige Aussteuer anzuknabbern? All die bestickten und wohlsortierten Stücke eurer Aussteuer, mit der ihr doch nirgendwohin gesteuert seid, jedenfalls nicht ins Herz eines Mannes? Und dann habt ihr weitergemacht mit den Sesseln und dem Sofa und dann mit den anderen Möbeln … bis ihr selber auch nur noch Möbelstücke wart, Holzklötze, oder vielleicht auch Spinnennetze, die in den dunklen Zimmern in der Ecke hängen. Wie viele Jahre ist es jetzt her, dass jemand dieses Haus betreten hat? Von außen sieht es aus wie ein Geisterhaus, ein Haus, in dem es spukt …
    Aber es ist alles verrammelt, schaut nur! Alles verlassen. Die Schafe sind tot, die Hühner. All die bunten Hühner, wie schön sie waren! Und als ich noch klein war, spielte ich mit ihnen, ich gab ihnen Körner und lief hinter ihnen her, mitten in dem Staub, den ich dadurch aufwirbelte, und in dem Geruch nach Hühnerstall, der mir zu Kopf stieg wie ein stinkender Likör. Aber ich hatte sie gern, die Hühner, und ich spielte mit ihnen. Doch dann, während ich ganz glücklich und ausgelassen hinter den Hühnern herrannte, ohne mir irgendwelche Gedanken zu machen, kommt der Herr aus der Tür und ruft mich. Er ruft mich mit dieser heiseren,
krächzenden, kranken Stimme, die so klang, als ob das Klo verstopft wäre und man versucht, mit dem Sauger alles rauszuholen, genau dieses Geräusch, das wie Rülpsen klang oder als ob jemand den Geist aufgäbe, diese faulige Seele, voller Speichel, die sich durch das Gebiss quetscht und zur Stimme wird, und diese Stimme, sie ruft, sie ruft meinen Namen, oh, meinen Namen: »Archina! Archinaaaaaa!« Er schrie laut, der Alte, bis ich endlich hinlief und gerade noch sah, wie mein Name flüssig wurde, in dem Auswurf, den er auf den Boden spuckte, stinkig und eklig wie eine tote Maus. Doch noch vor seiner Stimme hörte ich immer die Räder seines Rollstuhls quietschen. Fall doch, dachte ich, fall doch die ganzen vier Treppen hinunter. Fall doch mit diesem Scheißrollstuhl, fall doch. Was denkst du? Dass ich mich freue? Dass ich dir vergebe? Du denkst, mir gefällt es, wenn du Gitarre spielst und singst, um

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