Lass den Teufel tanzen
der Welt fand denn einer wie der an einem solchen Wesen? Vor allem jedoch, fragte sich Signora Siani, wo war jetzt eigentlich der junge Greco? Warum kam er nicht aus dem Haus, um seine Frau zu trösten, die dermaßen von Sinnen war! »Umgebracht!«, schrie Mariannina auf der anderen Straßenseite. »Vergiftet!« Aber gewiss doch! Vor den Augen der Signora Siani spulte sich ein ganz neuer Film ab. Ein Film, in dem ein junger Kommunist ohne Glauben an Gott, der, sexuell unbefriedigt von einer Ehefrau, die viel älter war als er und die er nur aus unlauterem Interesse geheiratet hatte, seine ganze Frustration und seine Kinderfresserbrutalität an einer armen, schutzlosen Kreatur ausließ! Einer kleinen Giftmischerin! Und warum auch nicht! Wie hätte sich die Kleine schließlich verteidigen sollen, wenn sie, wie es für die Signora Siani immer deutlicher auf der Hand lag, von einem Erwachsenen belästigt oder gar zu Schlimmerem genötigt worden war? Also hatte sie selber gut daran getan, diesem Narduccio Greco mit Argwohn zu begegnen und sie einfach nicht zu schlucken, diese Mär vom guten
Jungen, der heiratet und fortan mit seinen Wellensittichen, all dem Grundbesitz und dem vielen Geld ein friedliches und zufriedenes Leben führt.
Außerdem hatte die Signora Siani in ihrem Leben genug Groschenromane verschlungen, um zu wissen, dass man bei Männern mit allem rechnen musste. Selbst bei denen, die über jeglichen Verdacht erhaben schienen.
Rückkehr nach Mangiamuso
Das Krankenhaus, siebzehn Jahre später
ER IST TOT. Sie sind beide tot. Und ich hab keine Angst mehr. Ein Rollstuhl? Eine Spritze? Ein Plastikbeutel voller Pisse? Es ist nichts, gar nichts. Ich stehe in dem Garten und hab keine Angst mehr. Ich darf sogar barfuß rumlaufen und dreckig. Ihr könnt mir nichts mehr tun! Kann sogar in meinem Dialekt reden, dafür waren all die Jahre in Procida wenigstens gut, dass ich mich daran erinnere, wie meine Mutter geredet hat. Pah! Ich spucke vor ihnen auf den Boden, ich spucke ihnen ins Gesicht, scheiß auf diesen Typen, der tot ist, auf diesen alten Sack. Jetzt hab ich endlich Ruhe. Ich höre mich schreien, aber er wird mich nie wieder anschreien, und ich muss mich nie wieder rechtfertigen. Wollt ihr, dass ich lache? Ich lache. Hab ich Lust auf ein Lied? Ich singe es. Ich bin frei, frei, hier vor euren Augen.
Ich sehe das alles vor mir, nach all den Jahren, ich bin zurückgekehrt und bin eine Frau, und ich sehe alles ganz genau, ich sehe wirklich diesen Zitronenbaum, der vor der Tür wächst, diesen Garten, diesen Gutshof von Terranera, der mir so viel Angst gemacht hat, aber damals kam er mir hundertmal größer vor, mit all den Kletterpflanzen an den Mauern und diesen vielen, vielen Tomatensträuchern, die bis ans Ende des Grundstücks reichten, bis zur Friedhofsmauer. Der hatte Geld im Überfluss, der Angelo Santo, Kohle
ohne Ende. Das ganze Leben, immer nur Geld, Geld … das Geld hat ihn zum Sklaven gemacht, sein Vieh, die Schafe, die Hühner, und auch seine Schwestern, nur für mich war er der Herr. Und all die Ländereien hinter dem Friedhof … Wenn man auf der Straße vorbeigeht, sieht man noch immer die Tomatensträucher, die durch den Zaun wachsen, so viele sind es, so viele, und wie viele haben wir geklaut, nachts, wenn dieser Scheißkerl schlief und es nicht merkte. Und es geschah ihm recht, weil der so geizig und knauserig war, dass man nur was von ihm kriegen konnte, wenn man ihm die Taschen ein bisschen erleichtert hat und er es gerade nicht merkte. Aber das ist jetzt alles vorbei.
Und Fatima und Candelora … Die sind noch nicht tot, aber so gut wie. Es heißt, sie haben schon seit fünf Jahren das Haus nicht mehr verlassen. Von dem Tag an, als der Alte seinen Kampf gegen all die Nagetiere, die auf seinen Knochen hausten, aufgab und seinen letzten Schnaufer tat. Ach, diese Heiligen! Wenn sie dort auf den Straßen von Mangiamuso unterwegs waren, sahen sie aus wie zwei Stücke Holz. Niemandem schauten sie ins Gesicht, niemand war ihnen gut genug. Und sie selbst? Ha! Das Essen haben sie versteckt … sogar vor Severino haben sie das Essen versteckt, und deshalb ist er auch immer so mager und spitz im Gesicht gewesen, wie ein Wolf, ein Wolf, der immer Hunger hatte. Und jetzt? Jetzt seht euch an, wie alt ihr seid … Seid ihr das, hinter dem Wohnzimmervorhang, der sich bewegt? Seht ihr mich? Ich bin’s, Archina Solimene! Ja, mir geht’s gut, diese ganzen siebzehn Jahre weg von hier, von euch, von
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