Lass den Teufel tanzen
hören, und die Signora Siani sah, wie die graue Ape der Santos vor dem Eingang der Grecos anhielt. Wie seltsam!, dachte die Frau des Bürgermeisters, dass es in so wenigen Stunden bereits das zweite Mal war, dass sie diesen Wagen vor ihrem Haus sah. Denn auch am vorangegangenen Morgen, dem Sonntag, war Candelora Santo gegen Mittag dort vorgefahren. Sie hatte ihre Zwillingsschwester Fatima auf der Ladefläche des Lieferwagens sitzen gelassen und stand kurz darauf vor der Haustür der Sianis, in den Händen einen großen Teller mit Karnevalskringeln, die sie selbst für den Bürgermeister und seine Familie gebacken hatte. Da der Bürgermeister nicht da war, hatte die Signora Siani, die gerade in der Küche saß, eine Zigarette rauchte und der Haushälterin dabei zuschaute, wie sie nach einem Rezept aus Bari Miesmuscheln mit Reis und Kartoffeln zubereitete, sie in den Salon gebeten und ihr einen Kaffee angeboten. In jenem Moment hatte sie sich über den Besuch nicht weiter gewundert. Es kam oft vor, dass jemand aus dem Dorf ihrem Mann ein kleines »Geschenk« vorbeibrachte. Um ihm für einen Gefallen zu danken, den er ihm getan hatte, oder sich für ein zukünftiges Anliegen sein Wohlwollen zu sichern. Immerhin war ein Bürgermeister immer noch ein Bürgermeister, und die Leute im Dorf taten derlei eben. Komisch war jedoch, dass ausgerechnet Candelora Santo, die doch aus einer so angesehenen und wohlhabenden Familie stammte, es nötig haben sollte, den Bürgermeister um einen Gefallen zu bitten. Jedenfalls hatte Signora Siani nicht das Geringste dagegen einzuwenden gehabt, mit jener Frau zu plaudern, die, indem sie sich gerne auf ein Tässchen Kaffee zu ihr gesetzt hatte, klar und deutlich
unter Beweis gestellt hatte, dass sie sie für eine durchaus ebenbürtige Mitbürgerin hielt. Eine Ebenbürtigkeit, die sich die Signora Siani, welche ursprünglich wesentlich niedrigeren Standes war, in all den Jahren mühsam aufgebaut hatte, indem sie unter den Männern des Dorfes eine sorgfältige Wahl getroffen hatte, wem sie denn nun mit ihrem atemberaubenden Hinterteil und dem Körperbau einer Leinwandgöttin den Kopf verdrehen sollte. Und schließlich hatte sie es auch geschafft, sie war die erste Bürgerin von Mangiamuso geworden und konnte jetzt folglich auch sehr gut mit dieser Frau ein Plauderstündchen halten, als handelte es sich um eine alte Freundin, die zu Besuch gekommen war.
Um Candelora Santo zu unterhalten, hatte Signora Siani das Radio eingeschaltet, und sogleich erfüllte die Stimme von Franca Raimondi das Zimmer, die Aprite le finestre al primo sole, è primavera, la festa dell’ amor … und andere romantische Dinge sang, wie sie der Signora Siani so gut gefielen, weil ihr dadurch die Welt wie ein Ort erschien, an dem empfindsame Menschen wie sie viel willkommener waren. Candelora Santo hatte ihre Meinung zu dem Lied geäußert und gesagt, es gefalle ihr sehr. Diese Raimondi sei ja gebürtige Apulierin, und sie habe sich überaus geehrt gefühlt, dass dieses neue italienische Liederfestival ausgerechnet eine Sängerin zur Siegerin erkoren habe, die aus der gleichen Gegend stamme wie sie. Außerdem hatte sie erwähnt, sie würde sehr gerne einmal in dieses San Remo fahren, weil sie gehört habe, dort gebe es nicht nur wunderschöne Blumen, sondern auch das Meer und eine herrliche Uferpromenade, doch weder sie noch ihre Schwester Fatima hätten jemals Zeit zum Reisen, weil es auf dem Gutshof immer
so viel zu tun gebe und sie sich auch um den Bruder kümmern müssten, der mittlerweile an den Rollstuhl gefesselt sei. Während sie all dies sagte, war sie, mit der Tasse in der Hand, aufgestanden, in ihrer würdevollen und altjüngferlichen Art ans Wohnzimmerfenster getreten und hatte Signora Siani, immer wieder einen Schluck Kaffee schlürfend, gefragt, ob sie denn die Grecos kenne, die auf der anderen Straßenseite wohnten. »Seltsame Leute, findet Ihr nicht?«, hatte sie gemeint. »Er um so vieles jünger … Habt Ihr gesehen, gestern beim Karneval hatte er sich als Frau verkleidet. Jeder amüsiert sich, wie er kann. Offenbar macht es ihm auch Spaß, sich mit diesem jungen Mädchen abzugeben, wusstet Ihr das? Archina Solimene, die Tochter dieses Nunzio Solimene, der bei uns auf dem Hof arbeitet. Eine verrückte, verwirrte kleine Hexe. Ach! Arme Donna Mariannina! Doch nichts ist unmöglich auf der Welt, meint Ihr nicht auch?«
Danach hatte sich Candelora mit einer Reihe von förmlichen Floskeln, einem neuen
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