Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
kamen irgendwann die Medien auf mich zu. Je mehr Interviews ich gab, je mehr Kamerateams meine Räume betraten, desto bekannter wurde mein Laden. Ich habe mehr Umatz gemacht und brauchte Angestellte. So entstanden sechs Arbeitsplätze, hauptsächlich fürTre-sen- und Reinigungskräfte und eine Art Mädchen für alles, die sich um die Reinlichkeit und die Zureichungen kümmert. Zwei davon wurden vom Arbeitsamt gefördert. Wenn man Arbeitsplätze geschaffen hat, spürt man die Verantwortung, sie zu erhalten. Also muß ich wieder Umsätze tätigen, damit ich meine Mitarbeiter halten kann.
Dann habe ich einen Zulauf, der größer ausfällt als erwartet, und brauche wieder mehr Angestellte. Und so gerät man in einen Kreislauf, der einen immer wieder neu fordert. Je mehr ich an die Öffentlichkeit gehe, um so größer sind die Chancen, daß der Laden bekannt ist und ich meine Umsätze sichere.
Viele Frauen sehen mich als Vorbild und wollen mir mal nacheifern. Das ist natürlich schwer, denn sie werden nicht alle eigene Läden aufmachen können oder wollen. Aber ich will hnen alle Chancen geben, aus der Prostitution auszusteigen, wenn sie das möchten. Bei mir können die Frauen nach Hause gehen, wann sie wollen. Dadurch haben sie die Möglichkeit, tagsüber einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, was nicht möglich wäre, wenn sie gezwungen wären, bis morgens um sechs dazubleiben und die ganze Zeit über womöglich noch zu trinken. Und gleichzeitig ist mein Laden auch eine Jobbörse. Durch Gespräche mit Kunden hat manch eine meiner Frauen einen Job als Arzthelferin oder Sekretärin gefunden. Aber viele möchten gar nicht aussteigen. Das ist ja auch klar. Wenn man in einer Stunde das verdient, was man woanders in zwei, drei Tagen bekommt, ist man geneigt, nur noch der Prostitution nachgehen zu wollen. Und solange man mit sich darüber im reinen ist und sagen kann, ich will das und leide nicht darunter, finde ich das auch o. k.
Klischee Nr. 53:
Die Sexbranche ist unseriös, unprofessionell
und hat keine Zukunft.
Wie verhalten sich die mikroökonomischen Initiativen der neuen Sexarbeit zum Rest der Sexindustrie? Sind sie nicht selbst eine einzige Nische in einem männlich kontrollierten Markt, der von der frühkapitalistischen Logik der Armutsprostitution dominiert wird?
Politisch korrekte Deko-Objekte, die sich beschwingt durch einen liberalen Zeitgeist in die Liga der Alibi-Frauen einreihen? Oder leiten die Innovationen eine Art feministischen Paradigmenwechsel in der Sexindustrie ein? Um keine falschen Erwartungen zu schüren: Die Wirtschaftskraft der neuen Sexarbeit läßt sich schwer quantifizieren und gegen die Finanzmacht der klassischen Rotlichtprostitution abgleichen. Niemand kann sagen, wie die Claims abgesteckt sind, d.
h. welcher Anteil der geschätzten 12,5 Milliarden DM Jahresumsatz auf das Konto von Ausbeutern bzw. regulären Arbeitgebern geht. Der kommerzielle Erfolg der neuen Sexarbeit zeigt jedoch,daß Dienst-eistungen auf freiwilliger Basis, humanisierte Arbeitsbedingungen und der Verzicht auf Doppelmoral sämtliche Akteure entlasten und sich für die Anbieter selbst bei einer rein kommerziell orientierten Definition von Erfolg durchaus lohnen. Bedenkt man weiterhin, daß der Stein, den der Konflikt um das Cafe Pssst! ins Rollen brachte, eine Gesetzesänderung nach sich zog, die Sexarbeiterinnen mehr Rechte, Wahlmöglichkeiten und vie lleicht auch mehr soziale Anerkennung ermöglichte, so werden Synergieeffekte sichtbar, die das Machtungleichgewicht in der Sexindustrie nachhaltig verändern könnten - zugunsten der Frauen.
Die Sexindustrie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten als veritable Goldgrube erwiesen. Das globale Millarden-Dollar-Business boomte selbst dann noch, als der Neue Markt mit Getöse in sich zusammenkrachte. Allein die Pornographie erzielt seit Ende der neunziger Jahre in Deutschland trotz Werbeverbot einen geschätzten Jahresumsatz von einer Milliarde DM. Sex Toys, Aphrodisiaka und Dessous erreichten ein Umsatzvolumen von 150 Mio. DM.166 Der kommerzielle Erfolg von Internet-Stripchats, Seitensprungagenturen und so exotischen Gimmicks wie elektronischen Flirthilfen zeigt, daß die Anbieter neuer Dienstleistungen sich ein kleines Stück von einem Kuchen abschneiden konnten, den sich sonst vor allem Beate Uhse, Teresa Orlowski, ihr Ex-Ehemann Hans Moser und Pornofürst Dino Baum-berger teilten. Der Aufschwung der Sexbranche ist nicht nur für Deutschland
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