Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
sein volles ökonomisches Potential entfaltet, kann in Deutschland von vergleichbaren Profiten bislang nur geträumt werden. Annoncen im Internet sind für Anbieterinnen zwar oft kostenlos, aber für die Kunden nicht immer frei zugänglich. Viele etablierte Sexanbieter fordern die Kunden nach den ersten Surf-Stopps auf, ihre Kreditkartennummer einzugeben. Manche Seiten sind schlecht zu finden, und es hängt von Zufallstreffern ab, ob potentielle Kunden beim Surfen dort landen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Grenze zwischen hoch-und niedrigpreisigen Segmenten hierzulande weniger stark definiert ist als in internationalen Business-und Jet-Set-Metropolen wie London, New York, Paris, Los Angeles oder Monaco.
Wer durch die Sexseiten von www.worldwideescorts.com surft und die dortigen Stunden-oder Tagessätze internationaler Escorts von bis zu 50000 Dollar pro Tag liest, muß sich wirklich fragen, wer da wen ausbeutet.
Klischee Nr. 55:
Sexindustrie bedeutet Sexismus.
Daß immer mehr Frauen die wirtschaftliche Kontrolle über die Vermarktung ihrer Körper zurückgewinnen, ist nur ein Aspekt dieser erstaunlichen Entwicklungen. Die neofeministische Unterwanderung des Sexbusiness entzieht den Männern auch das Monopol über die Darstellung nackter Frauenkörper. Doch bei aller Freude über die Rückeroberung des Leibs sollte nicht vergessen werden, daß das Frauenbild der Sexindustrie tendenziell immer schon pluralistischer war als das der meisten anderen Medien. »Was das Frauenbild der Sexindustrie angeht, so finde ich persönlich die Botschaften der Modebranche wesentlich destruktiver«, so Danni Ashe auf ihrer Homepage. »Sobald wir nicht 1,80 groß sind und dabei 50 Kilo wiegen, vermittelt sie uns ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Vergleicht man Fashion-mit Porno-Models, so wird man Hunderte von Publikationen finden, die die "Weiblichkeit in all ihren Formen, Größen und Hautfarben feiern.«177 Auch die Sex-Performance-Künstlerin Annie Sprinkle distanziert sich von plakativen Feindbildern: »Wir gewinnen einen Krieg, der besagte, die Antwort auf schlechte Pornographie sei keine Pornographie. Immer mehr Feministinnen sind der Ansicht, daß das so nicht stimmt. Die Lösung besteht darin, daß Frauen bessere Pornographie produzieren.«178
Genau das passiert seit einigen Jahren auch in der deutschen Pornoszene. Produzentinnen, aber auch Produzenten setzen verstärkt auf die Frau von nebenan - und zwar in sämtlichen Altersstufen.
»Natürlich sind junge hübsche Mädchen immer ein Thema, aber was man auch nicht unterschätzen darf, sind unsere Omas«, so die Handelsvertreterin einer deutschen Pornoproduktion. »Darstellerinnen, die bereits über siebzig sind, aber beim Publikum sehr gut ankommen, und zwar bei allen Altersgruppen. Wir kombinieren natürlich, Oma mit jungem Mann, Oma mit Opa. Damit auch die Enkel sehen: In den Betten der älteren Leute spielt sich noch einiges ab.« Auch im Zuge des »Privatvideo-Booms« produzierten und vermarkteten sich eine Reihe von Amateurdarstellerinnen mit Erfolg selber, darunter auch Frauen, die nicht unbedingt gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Die Produzentin Marion Cirener (»femme fatale«) legt ebenfalls Wert darauf, daß ihre Darstellerinnen nicht dem Klischeebild geklönter Barbiepuppen entsprechen, die bei den Zuschauerinnen im Zweifelsfall Lust auf Diät anstatt auf Sex auslösen. Mit bewußt ästhetischem Anspruch hat sie in den letzten zehn Jahren Marktnischen im Hardcore-Bereich erobert und neue Vertriebswege für eine Pornographie etabliert, die sich von der Norm vieler ihrer Vorgänger deutlich unterscheidet: Die Darsteller werden nicht in der branchentypischen Weise ausgebeutet, die Zielgruppe sind nicht Männer, sondern Paare. Marion Cireners Erfolg löste in der Branche anfänglich Erstaunen aus. Inzwischen haben auch Marktführer zunehmend die Zielgruppe »Paar« im Visier und ergänzen ihre Standardware mit geradezu handlungslastigen Produkt-linien.
Manches spricht dafür, daß auch die Erfolge der neuen Sexarbeit neue Branchenstandards setzen werden. Die Möglichkeiten zur Selbständigkeit, die das Internet bietet, sein Potential einer direkten Kontaktanbahnung zwischen Anbietern und Kunden könnten auch in Deutschland die Rolle der Vermittler tendenziell schwächen und die der einzelnen Anbieterin stärken. Über die neue Interneteuphorie wird aber leicht vergessen, daß die Sexindustrie nie der exklusive Boys'
Club war, für den man
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