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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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Forschung
     
    Ähnliches gilt für einen Großteil der Prostitutionsforschung. Sie kapriziert sich vor allem deshalb auf die Negativseiten der Prostitution, weil sich die Finanzierung von Studien oft aus einem gesellschaftlichen Handlungsbedarf ableitet, sprich: Ohne allseits anerkannte Problematik keine Forschungsgelder. Das einseitige Ausloten der Schattenseiten führt jedoch zwangsläufig zu einem Mangel an Repräsentativität. So arbeiten die meisten Studie n ohne Kontrollgruppenvergleiche und mit opportunistischen Samples, d. h.
    Frauen, die über Beratungsstellen, Gefängnisse oder im eigenen Einzugsbereich auf der Straße kontaktiert werden. Wie ein niedergelassener Arzt, der aus dem Gesundheitszustand seiner Praxisklientel Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung zieht, beschränken sich viele Prostitutionsforscher auf eine Subklientel und leiten daraus allgemeine Erkenntnisse über die Prostitution ab.
    Besonders die feministischen Opfertheoretikerinnen stürzen sich mit Vorliebe auf drogenabhängige Straßenprostituierte in den Elendsvierteln der Welt und sehen in deren Leidenswegen ihre prostitutionsfeindlichen Ideologien bestärkt.
     
    Im wissenschaftlichen Zugriff auf die Prostitution hat es Tradition, mehr oder weniger unverblümt von moralischen Vorannahmen ausgehend Aspekte der Szene herauszupicken, die in den theoretischen Überbau der Untersucher passen. Bis in die siebziger Jahre hinein machte sich die Wissenschaft auf diese Weise zur Erfüllungsgehilfin einer stigmatisierenden Moral. Nicht die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen oder ihre gesellschaftlichen Funktionen wurden thematisiert, sondern die psychische Verfaßtheit der Prostituierten. War kein Zwang als auslösender Faktor erkennbar, mußten die Zwänge ins Innere der Frau verlagert werden. So galt die Prostitution selbst unter Psychologen lange als seelische Abnormität.
    Selbst die für ihr gesellschaftskritisches Potential bekannte Psychoanalyse unterstellte den Prostituierten mal ungelöste Ödipalkonflikte und Frigidität, - mal Männerhaß und latente Homosexualität.196 Die meisten dieser Theorien waren wissenschaftlich von fragwürdigem Wert, da man auch hier von der individuellen Hure auf der Analytikercouch auf die Gesamtpopulation der Prostituierten schloß und sich zum Beispiel nie fragte, ob Prostituierte einen stärkeren Männerhaß oder stärkere lesbische Neigungen entwickelten als Krankenschwestern oder Lehrerinnen.
     
    Marxisten und ihre Widersprüche: Promoviertes
    US-Callgirl
     
    Der Kapitalismus verwandelt nicht nur Prostituierte, sondern uns alle in Waren - in Bezug auf unsere Arbeitskraft (sei diese nun sexueller oder anderer Natur) und als Person.
    Normalerweise machen Marxisten dies nicht den Menschen zum Vorwurf. Hin und wieder trifft man einen Marxisten, der jemanden des Sell-out bezichtigt. Aber hat man jemals einen Marxisten sagen hören, ein Fabrikarbeiter verkaufe seinen Körper und damit auch gleich sich selbst? Ohne hilfreiche Unterstützung durch das kapitalistische System können wir uns schlecht selbst objektivieren. Wir glauben vielleicht, daß Straßenprostituierte und andere Opfer der Armut und Verzweiflung die extremste Form der Objektivierung und Ausbeutung erfahren. Ich hingegen glaube, daß uns diese Sichtweise von der Tatsache ablenkt, daß der Rest der Bevölkerung Tag für Tag in viele Formen der Ausbeutung verstrickt ist. Die Prostitution ist ein Tabu und eine Projektionsfläche, auf die die Gesellschaft alle Übel des Kapitalismus projiziert.197
     

Kirche und Konservative
     
    Um Weltbilder geht es auch der seltsamen Allianz feministischer, wertkonservativer und christlicher Prostitutionsgegner. So wie die Hure der ehrbaren Frau zu ihrer Identität verhalf, wird die Sexarbeit als dämonischer Gegenentwurf zu den heilen Welten benötigt, die uns die Berufsmoralisten versprechen. Das erklärt auch, warum sie alle Akteure der Sexarbeit oft wider besseres Wissen instrumentalisieren -
    im Namen des Geschlechterkampfes und politischer Korrektheit, im Namen konservativer Familienwerte und des Christentums. Ihre Absichten und ihre Konstruktionen von Sexualität mögen sich unterscheiden, aber ihre Argumentationslinien gleichen sich. Die Prostitution wird zu ! einer Art Feindbildmatrix, vor der die Utopien der Kritiker : erst ihren vollen Glanz entfalten. »In Diskussionen über Prostitution habe ich immer wieder die Erfahrung machen müssen, daß dieses Thema sich vielfach nur als

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