Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
auch keinen Anspruch auf Steuervergünstigungen oder Kredite. Das Höchste der Gefühle auf seiten der Bank ist ein Giro-bzw. ein Sparkonto. »Wir diskriminieren die Frauen nicht«, so ein Sprecher von ING, der größten Finanzgruppe des Landes. »Aber es ist unsere Geschäftspolitik, überhaupt keine Kunden aus der Sex-Industrie zu betreuen. Das betrifft nicht nur Prostituie rte. Das ist kein moralisches Urteil, sondern wirtschaftliches Kalkül. Das Risiko ist einfach zu groß.«194 Ebenso wie diverse Anti-diskriminierungsparagraphen regelt das neue Gesetz also auch in den Niederlanden vieles, was anschließend in der Praxis nicht funktioniert.
Ich tue mein Möglichstes, daß kein Negativbild
entsteht: Mia
Ich wohne jetzt seit 17 Jahren in dieser Wohnung. Am Anfang wollten sie mich hier im Haus wohl nicht haben. Über Monate hinweg haben sie meine Klingel immer wieder kaputtgemacht und das Namensschild abgerissen. Ein halbes, dreiviertel Jahr ging das so. Aber irgendwann haben die Leute gemerkt, Moment mal, da ist es ruhig, da ist es ordentlich und sauber. Bei mir ist es doch ruhiger als in einem klassischen Dreipersonenhaushalt mit Mutter, Vater, Kind. Außerdem tue ich mein Möglichstes, damit kein Negativbild entsteht. Ich liebe ja selbst die Ruhe und Ordnung und lehne u. a. deshalb auch betrunkene Gäste kategorisch ab. Ich bück mich auch im Treppenhaus, wenn da Zigarettenkippen liegen. Es wird nie ein anderer beschuldigt werden, es wird immer heißen, das ist garantiert von dem Puff da unten. Das ist eben so.
Klischee Nr. 60:
Den Kritikern der Prostitution geht es um Fakten, Werte und das Wohl der Prostituierten.
Daß die Buchstaben des Gesetzes vielleicht die Köpfe, aber nicht die Herzen der Menschen erreicht haben, ist eigentlich kein Wunder.
Jahrelang machte die Prostitution ausschließlich Negativschlagzellen -
nicht nur in bzw. durch die Medien. Das pauschale Unwerturteil wurde von Experten aus der Projektszene und der Wissenschaft gestützt, von Konservativen, Feministinnen und der Kirche. Es war diese moralische Mehrheit, die sich zu Diskursführern in Sachen Sexarbeit aufschwang, die Opferrhetorik fortschrieb und eine allgemeine Dämonisierung kommerzieller Sexangebote betrieb. Dabei ging es selten um Ideale, Erkenntnisse oder Inhalte. Moral - wie sie diese Diskursführer definieren
- dient immer handfesten
Eigeninteressen: Bildern und Quoten, dem Selbsterhalt chronisch klammer Projekte, der Akquise von Forschungsgeldern und den Weltbildern, mit denen die Kritiker werben. Nicht nur »Sex sells«.
Auch mit Moral läßt sich Geld verdienen - auf dem Rücken der Sexarbeit und letztlich auch der Frauen, die sie betreiben.
Die Medien
Die Ambivalenz unserer Gesellschaft in puncto käuflicher Sex spiegelt sich in den Medien. Zwar leisteten besonders die privaten Fernsehsender einen Beitrag zur neuen Etikette des sexuellen Pluralismus, indem sie unverkrampft über die gelebte Sexualität der Deutschen berichteten. Andererseits gebot der Kampf um die Quote ein permanentes Lavieren um die Doppelmoral. Das, was die Öffentlichkeit über die Sexarbeit aus den Medien erfuhr, war lange Zeit keine objektive Gegenwartsbetrachtung, sondern ein selektiver Blick auf der Basis von Annahmen, wo die Zielgruppe die Grenze zwischen Moralempfinden und Voyeurismus zieht. Um sowohl das eine wie das andere zu bedienen, eignete sich das Rotlichtmilieu besser als die neuen Formen der Sexarbeit. Es lieferte Konfliktstoff, an dem sich Journalisten auf moralisch unverdächtige Weise und mit der Attitüde investigativer Courage abarbeiten konnten. Es lieferte auch die spektakuläreren Bilder: Eine Kamerafahrt über neonblinkende Fassaden von Billigpuffs oder frierende Straßenhuren im winterlich verschneiten deutsch-tschechischen Grenzland versprechen stärkere Bilder als die Sexarbeiterin, die aussieht wie du und ich und einen Teil ihres Honorars zur Bank bringt. Da die Sexarbeit nur unter Bedingungen des Elends und der Ausbeutung medientauglich erschien, fristeten ihre selbstbestimmteren Varianten lange Zeit ein mediales Schattendasein. Bis die Auseinandersetzung um das Cafe Pssst! seine öffentlichen Kreise zog, war die Vielfalt sexueller Tauschgeschäfte dem öffentlichen Bewußtsein weitgehend entzogen. Dort, wo keine Kamera ist, ist auch keine Öffentlichkeit.
Die Revolution frißt ihre Kinder:
Larissa, Sozialarbeiterin
Da wir vor lauter Sozialarbeit kaum dazu kommen, uns mit
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