Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Frage des Vergleichs. Nehmen wir meine Familie: Meine Mutter ist Hausfrau, mein Vater arbeitet sporadisch. Da wir nicht zur wohlhabenden Schicht gehören, haben wir keine Kontakte zu den Leuten, die in unserer Stadt wichtige Entscheidungen treffen. Ich selbst war 22 Jahre alt und studierte an der örtlichen Musikschule klassische Musik, bevor ich mein Glück im Westen suchte.
Eigentlich wollte ich Orchestermusikerin werden. In meiner Stadt gibt es aber nur ein Orchester, und um dort einen Platz zu bekommen, muß man eben nicht nur begabt sein, sondern auch Beziehungen haben. Als mich ein Bekannter eines Tages fragte, ob ich mir vorstellen könnte, in einer Bar in Polen zu arbeiten, sagte ich, ohne zu zögern, ja. Ich konnte mir schon denken, welche Art von Arbeit dort auf mich wartet. Aber was hielt mich zu Hause?
Wie vorhergesehen, landete ich in einer Sex-Bar in Schlesien. Die 1000 Mark für die Schlepper hatte ich schnell abgearbeitet. Weil unser Laden gut lief, machten in kürzester Zeit viele neue Läden auf, und mein Chef mußte sich die Kunden mit Konkurrenten teilen. Irgendwann sagte er: »Es ist für mich nicht mehr rentabel, dich hierzubehalten. Das Geld, das du hier verdient hast, kannst du auch in Deutschland machen. Die Einreise kann ich organisieren.«
Die »Einreise«... Eines Abends brachte man mich ans Ufer der Neiße. Fröstelnd warf ich mich in den Fluß und schwamm ans andere Ufer. Doch wer erwartete mich auf der deutschen Seite? Die Beamten vom Bundesgrenzschutz! Ehe ich bis drei zählen konnte, war ich wieder in Polen, aber entmutigen ließ ich mich nicht. Ich hielt an der Vorstellung fest, daß es beim zweiten Versuch unbedingt klappen müsse. Wenige Tage später schwamm ich zusammen mit meiner Kollegin Elena durch die Neiße, und diesmal hatten wir mehr Glück. Unsere Kontaktperson erwartete uns am Ufer und brachte uns im Auto nach Berlin.
Erschöpft, aber glücklich, begannen wir unser neues Leben in Deutschland. Aber wie sah es aus? Für 4000 Mark wurden wir an einen deutschen Clubbesitzer verkauft. Wir teilten uns ein kleines Zimmer in einer Wohnung in Clubnähe. Als Neuankömmlinge hatten wir kaum Rechte und zu unseren Mitbewohnerinnen wenig Kontakt. Das war auch ganz gut so, denn eine der Frauen informierte eine Art »Aufpasserin« über alles, was sich in der Wohnung abspielte. Vor diesen beiden Frauen lebten wir in Angst und sprachen daher nur mit leiser Stimme. Die Wohnung verließen wir nur in Begleitung, um arbeiten zu gehen.
Unsere Kolleginnen kamen aus Rußland, Polen, Litauen und Belorus. Wir waren 7 Tage und 24 Stunden lang jederzeit einsetzbar. Aber wir durften nicht einfach nur dasitzen und uns unterhalten. Es wurde erwartet, daß wir die Kunden direkt ansprechen und mit ihnen trinken, und falls jemand Verkehr ohne Kondom wünschte, war uns sein Wunsch Befehl. Schnell lernten wir das »Fachvokabular«, und bald schon konnten wir uns in kurzen Sätzen mit den Gästen verständigen. Aber die meisten von uns waren zu mißtrauisch, um frei zu sprechen. Wie konnten wir sicher sein, daß sie nicht mit dem Chef befreundet waren? Vielleicht hatte er sie geschickt, um zu erfahren, was wir den Männern erzählen! Nur einmal vergaß ich meine Angst und vertraute einem Gast an, daß ich Musik studiert habe und gern Orchestermusikerin geworden wäre. Daraufhin ging er sofort zum Chef und fragte:»Warum sitzt Ludmilla hier? Sie will diese Art von Arbeit doch gar nicht machen.« Mein Chef war stinksauer: »Wenn Du dich noch einmal bei einem Freier ausweinst«, drohte er mir, »werde ich dir die Fresse polieren.«
Die 4000 DM Schulden hatten wir inzwischen an ihn abbezahlt. Doch das bedeutete nicht, daß wir nun mehr Geld verdienten. Neben den Abgaben mußten wir auch für das Zimmer, für Essen und für Kleidung zahlen. Bei 6-7 Freiern blieben höchstens 50-60 DM am Tag übrig. Manche Kunden erzählten, daß sie für eine Stunde 120 DM an den Chef zahlten. Da wurde uns klar, daß der größte Teil unseres Einkommens in seine Tasche wanderte. Wir rechneten aus, daß wir im Monat ungefähr 20000 DM erwirtschaftete, aber nur 7% davon erhielten. Meiner Familie schickte ich 100 oder 200 DM im Monat, dafür müssen sie in der Ukraine 2-3
Monate arbeiten.
Eines Abends brach über uns herein, wovor wir uns die ganze Zeit gefürchtet hatten: eine Razzia. Die Polizei brachte meine Kolleginnen und mich auf eine Dienststelle und stellte alle möglichen Fragen. Wir hatten Angst. Was würde mit uns
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