Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
sich gebracht und will weder lange vorarbeiten müssen noch einer Frau die große Liebe vorgaukeln, wenn er eigentlich nur Sex sucht. Diese Subklientel scheint sich aus Workaholics und aus jüngeren Männern zu rekrutieren, die mit einer expandierenden Sex-Industrie aufgewachsen sind und die kommerziellen Möglichkeiten unbefangener und mit weniger moralischen Bedenken wahrnehmen als ältere Freier.
In der Realität des käuflichen Sex sind jedoch komplexere Freierprofile die Norm, und überhaupt stellt sich die Frage, ob die Kriterien mancher Forscher nicht deren eigene Vorurteile und Marktwertannahmen spiegeln. Amerikanische Prostituierte berichten zum Beispiel von beruflich extrem erfolgreichen Kunden, die ein Kontaktproblem entwickeln, weil sie Tag und Nacht vor dem Computer sitzen und in ihrer sozialen Kompetenz eher Typ 2 als Typ 3 entsprechen. Andere erzählen, daß sowohl biedere Familienväter als auch verbitterte Losertypen mit einer selbstgerechten McSex-Anspruchshaltung im Bordell aufkreuzen, obwohl sie in puncto Aussehen und Charisma auf der Marktwertskala eher am unteren Ende zu verorten wären. Bleibt die Erkenntnis: Lebensstil, Persönlichkeit und die Bereitschaft, für Sex zu zahlen, lassen sich nicht eindimensional schematisieren.
Traummänner mit Makel: Laura
Auf mein Inserat hin melden sich vor allem Männer aus dem Ausla nd, die in Deutschland geschäftlich zu tun haben: Akademiker, Geschäftsleute, Banker, Regierungsbeamte.
Was ihren beruflichen Hintergrund und den Schauplatz unserer Tauschgeschäfte angeht, könnte man meinen, es handele sich um so etwas wie Luxusprostitution mit gesellschaftlich anerkannten Traummännern. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Ein Teil meiner Kunden kompensiert mit seinem Einkommen oder Sozialstatus einen Makel oder etwas, das sie dafür halten. Zwei leiden sichtbar an einer Krankheit, ein anderer hat sein Alter unter die magische Grenze von 60 heruntergelogen. Im Grunde genommen ist jeder Versuch einer Kategorisierung nach Marktwert klischeehaft und inhuman, denn was unterscheidet einen sexuell und emotional bedürftigen Unternehmer von einem sexuell und emotional bedürftigen Automechaniker?
Das Typenraster macht aber klar, daß Prostitutionsbesuche je nach Lebenssituation unterschiedliche sexuelle, emotionale oder soziale Mangelzustände ausgleichen können. Gebundene Männer erleben Prostitutionsbesuche häufig als Ergänzung zur Ehe oder Privatbeziehung, als einen Freiraum, in dem sie ungelebte Aspekte ihrer Sexualität verwirklichen. Für einen Teil der partnerlosen Männer ist käuflicher Sex die einzige Möglichkeit, Sex und emotionale Nähe zu erfahren. Und für eine nicht unerhebliche Anzahl Männer sind Prostitutionskontakte eine selbstgewählte Alternative zur klassischen Ehe oder Liebesbeziehung. Offensichtlich erfüllen Prostituierte sehr reale Bedürfnisse nach Spannung und Abwechslung, menschlicher Nähe, Intensität und erfüllter Sexualität, die anderweitig nicht bedient werden. Hält man die Ergebnisse jüngerer Umfragen zu Aspekten männlicher Sexualität dagegen, so wird schnell klar, wo die Ursachen der Defizite liegen könnten. Der Zeitschrift Sexualmedizin zufolge äußerten sich 60% der Männer als unzufrieden mit ihrem privaten Sexleben, 40%
beklagten sexuelle Probleme. Laut einer
Repräsentativumfrage der Zeitschrift Freundin sehnten sich 50% der Männer danach, häufiger verführt zu werden, und 39% wünschten sich mehr Sex in der Partnerschaft.45 Demnach ist die sexuelle Bedarfslage der Männer, die in vielen Privatpartnerschaften für Überforderung sorgt, die Geschäftsgrundlage eines Marktes alternativer Befriedigungsmöglichkeiten. Offenbar fängt die Sexarbeit, das Herzstück dieses Marktes, die sexuellen und emotionalen Defizite privater Partnerschaften und Singles in großem Stil auf.
5 DIE ERFAHRUNG
Herzklopfen vor dem Bordellbesuch:
Philipp / Bordellbesitzer
Es gibt eine gewisse Anzahl von Männern, für die ist schon die Vorstellung, Sex für Geld zu haben, äußerst erotisch. Das Phänomen ist mir selbst immer unerklärlich geblieben, aber ich habe es an meinen Gästen zigfach erlebt. In den ersten Jahren meiner Arbeit als Bordellbetreiber habe ich darin ein immenses moralisches Problem gesehen. Jahrelang habe ich meine Kunden zutiefst verachtet. Erst als ich immer mehr Männer kennenlernte, vor denen ich menschlich große Hochachtung hatte, da habe ich mir gesagt, nach solchen Kriterien kannst
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