Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
nämlich als Täter, wahrgenommen und behandelt werden, bezeichneten sich in einer Studie mit 700 auffällig gewordenen Freiern nur 17% als »Ersttäter«. Der Rest räumte ein, sexuelle Dienstleistungen häufiger oder regelmäßig zu nutzen.40
Klischee Nr. 12:
Prostitutionskunden sind Außenseiter.
So unterschiedlich das Freieraufkommen in Deutschland eingeschätzt wird, so einig sind sich die Experten innerhalb und außerhalb der Sexarbeitsszene über das soziale und psychische Profil der
»Prostituanden«. Das Zauberwort lautet: heterogen. Die Zielgruppe besteht aus Männern sämtlicher Altersstufen, Einkommensklassen, politischer Überzeugungen, sozialer und ethnischer Hintergründe, Bildungs-und Familienstände. Diese sogenannte »Jedermann-Hypothese« ist auch international mehrfach belegt.41 Die Nachfrage nach käuflichem Sex, so scheint es, verbindet Männer über kulturelle, sozia le und Altersgrenzen hinweg. Um sich in diesem Meer an Vielfalt analytisch orientieren zu können, versuchte man als nächstes, die Freierpopulation nach Persönlichkeit, Lebensstil und Motivationslage zu kategorisieren.42 In offenen Interviews beschrieben Kunden ihre Motive und ihr Verhalten. Mit Hilfe psychologischer Tests wie dem MMPI-2 oder dem Freiburger Persönlichkeitsinventar loteten die Forscher Parameter wie Gehemmtheit, Aggressivität und Lebenszufriedenheit aus. Der innere und äußere Blick in die Seele wurde ergänzt durch Gespräche mit Prostituierten und Bordellbetreibern. Sie sollten die blinden Flecken im Bewußtsein der durch Schuldgefühle und Rationalisierungen verzerrten Eigenwahrnehmung der Freier korrigieren. Das Ergebnis all dieser Bemühungen lautete nochmals: heterogen. Schon die frühesten Freiertypologien legten nahe, daß Männer aus den unterschiedlichsten privaten und professionellen Umfeldern, mit den verschiedensten Persönlichkeiten und Motivationslagen Prostituierte aufsuchen. Die jüngsten Erkenntnisse stützen die These: Jeder Mann kann ein Freier sein.
Trotz gewisser Abgrenzungsunschärfen und der Gefahr neuer Klischeebildungen hat eine Reihe von Experten drei Idealtypen von Prostitutionskunden ausgemacht. Vorausgeschickt sei, daß die Wissenschaft und die öffentliche Meinung eine Zeitlang der Ansicht waren, die Welt des käuflichen Sex sei das bevorzugte Jagdrevier der Witwer, Hagestolze, sozialen Außenseiter und beziehungsunfähigen Schürzenjäger. Das war und ist bestenfalls ein sozialverträgliches Märchen, eine Beschwichtigungsgeste in Richtung moralische Mehrheit. Eine Reihe neuerer Studien im In-und Ausland weist nach, daß gebundene Männer unter den Freiern mindestens gleich stark vertreten sind oder sogar zahlenmäßig überwiegen.43 Was die beiden Männergruppen eint, ist die Motivation: Unabhängig vom Familienstand bzw. der sexuellen Versorgungslage nennt die Mehrheit der Männer »sexuelle Unzufriedenheit« als zentrales Motiv für ihre Kontakte mit Prostituierten. Diese Unzufriedenheit kann je nach Lebenssituation unterschiedlich aussehen. Und genau hier kommen die verschiedenen Typen ins Spiel.44
Typ 1 ist der »Familienvater«. Vorausgesetzt, daß in seiner Privatbeziehung Sex noch ein Thema ist, sucht er bei Prostituierten entweder sexuelle Abwechslung und Intensität in Form einer neuen Sex-Partnerin, häufigeren Sex oder Varianten, die die Privatpartnerin nicht bedienen möchte oder kann. In den Worten der Bordellbetreiberin Mia: »Die sagen: ›Ich hab zu Hause zwar eine Frau, aber die ist entweder krank, alt, müde, überarbeitet oder hat keine Lust. Das ist eine liebe Frau, die macht mir meine Wäsche und ist ansonsten auch sehr nett, aber mit dem Sex klappt's eben nicht.‹«
Typ 2, der »Einzelgänger« mit emotionalen und sozialen Defiziten, wird von einigen Experten recht unverblümt der »Verlierer« genannt.
Dieser sehnt sich in erster Linie nach körperlicher und emotionaler Nähe zu einer Frau (nicht gezielt zu einer Hure). Er findet sie bei einer Prostituierten, weil seine Chancen, eine konventionelle Beziehung einzugehen, aufgrund seines Alters, seiner Erscheinung oder Ausstrahlung eher gering sind. Kontaktprobleme und Einsamkeit ebnen ihm den Weg in die Prostitution. Typ 3, der »McSex-Freier«: Für eine konventionelle Beziehung bringt er als Karriere-Single zumindest in bestimmten Lebensphasen weder Zeit noch Energie auf, möchte aber dennoch eine abwechslungsreiche Sexualität kultivieren.
Vielleicht hat er gerade eine Beziehung hinter
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