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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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Sexualität meist (und manchmal zu Unrecht) als Grundsatzannahmen voraussetzen. Zum anderen, um die widersprüchlichen Botschaften, mit denen wir durch sexuelle Bilder und Inhalte Tag für Tag bombardiert werden, zumindest ansatzweise zu entwirren. Wie kommt es zu dieser Reizüberflutung? In einer durch Informationsüberfluß geprägten Medienlandschaft wird dem Endverbraucher das jeweilige Sexverständnis der traditionellen Paarkultur, der Lifestyle -Magazine, Feministinnen und Evolutionsbiologen als Umsatz-und quoten-steigernde Munition geradezu um die Ohren gehauen. Und wir?
    Verwirrt stehen wir zwischen den Fronten und ringen um Klarheit, bis wir begreifen, daß es den Medien seltener um Aufklärung als um emotionalen Sprengstoff geht. Beispiel Sexarbeit: Es ist doch erstaunlich, daß trotz massiver Vermarktungstendenzen unserer Gesellschaft, trotz jahrelanger Berichterstattung aus der Welt des käuflichen Sex durch Formate wie »Liebe Sünde«, »Wa(h)re Liebe«
    etc. die sexuelle Dienstleistung noch lange nicht dieselbe Akzeptanz genießt wie z.B. homosexuelle Lebensstile. Diese nahezu konstante Ausgrenzung zeigt, daß sexuelle Diskurse in erster Linie identitätsbildend wirken und daß es auch bei Debatten über Sexarbeit häufiger um die Verteidigung des eigenen sexuellen Lebensstils geht als um Sachinhalte. Dabei sind wir genaugenommen alle Prostituierte.
     
    Männer und ihre Prioritäten: Evelin
     
    Bevor ich meinen Laden eröffnete, leitete ich eine Partnervermittlung. Ich habe damals Männer für einen Jahresbeitrag von lächerlichen 750 DM aufgenommen. Als dieselben Männer mitkriegten, daß ich ein Bordell betreibe und Hausbesuche vermittle, waren sie plötzlich bereit, für eine Stunde 300 DM zu zahlen. Für die Suche nach einer Lebenspartnerin, wo es um echte, wertvolle Gefühle geht, hatten sie kein Geld. Aber wenn ihnen, auf gut deutsch gesagt, die Piepe steht, dann sieht es anders aus.
    Andererseits ist es sicher viel ehrlicher, wenn sie ins Bordell gehen und sagen: »Ich find dich gut, wir gehen aufs Zimmer, ich zahl me inen Obulus.« Dann können sie mit gutem Gewissen nach Hause gehen. Die Frau fragt nicht: »Wann rufst du mich denn wieder an?« Und er muß nicht erklären, daß er eigentlich nur Sex wollte. Ich denke, das ist für beide Seiten eine ehrlichere Sache.
     
    Klischee Nr. 20:
    Wahre Liebe hat mit Kommerz nichts zu tun.
     
    Die Ansicht, daß wahre Liebe und die Ware Liebe getrennte Bereiche unseres Lebens darstellen, ist eine Illusion. Daß unsere marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaft bis in ihre privatesten Sphären von der Logik der Ökonomie durchdrungen ist, wissen wir spätestens, seit Erich Fromm, Viviane Forrester, Andre Gorz und Naomi Klein uns die bindungszersetzenden, demoralisierenden Wirkungen des Turbokapitalismus vor Augen führten. Klar ist aber auch, daß sich das eigene Privatleben nicht so leicht gegen das Denken in Marktwertkategorien abschirmen läßt. Der Versuch einer strikten Trennung zwischen Kommerz-und Privatsphären wäre ungefähr so erfolgreich wie der Versuch, an einer Supermarktkasse herumzudiskutieren, daß die Nahrungsaufnahme ein menschliches Grundbedürfnis sei und die Notwendigkeit des Bezahlens eine Obszönität.
    Beispiel Partnermarkt: Zumindest was männliche Motivationen für Kontaktanbahnungen betrifft, so hat sich der Markt in den letzten Jahren zunehmend entromantisiert. Eine Kontaktanzeigenstudie von Polotzek und Reichertz in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Prinz ergab, daß die Zahl der Sex-ohne-Liebe-Annoncen von 1987 bis 1994
    auf 25% stieg und sich damit innerhalb von sieben Jahren verdoppelte.60 In Internet-Kontaktbörsen wie www.date.de überwiegt der Anteil der Männer, die Sexpartner suchen, oft noch deutlicher.
    Heiratsvermittler machen die Erfahrung, daß sich ein Teil ihrer Kunden mit den vermittelten Frauen nur trifft, um kostenlosen Sex zu haben. Ähnliches erleben Frauen, die ohne Vermittlung auf Partnersuche gehen. Für viele Männer ist die vermeintliche Suche nach der »Lebenspartnerin« nichts anderes als eine zivilisatorische Maske für unverbindliche Sexkontakte, eine Art sexuelle Schnäppchen-Mentalität, die nichts anderes als emotionalen Mißbrauch produziert. Andererseits unterziehen Frauen ihre potentiellen Partner oft einem ebenso unerbittlichen Screening auf sozioökonomische Potenz und schreiben damit die darwinistische Logik des Partnermarktes fort, der wohlhabende Männer, junge und attraktive

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