Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
(»Ich muß gestehen, eine so supergeile Nummer mit einem so hingebungsvollen Weib habe ich lange nicht mehr erlebt. Fürwahr, Gisela ist ein Traum von Geilheit!«)
Auch wenn sie den zeittaktorientierten Leistungskatalog mit Extraaufschlägen vieler Häuser mehrheitlich akzeptierten, beklagte eine Reihe von Männern die Transaktion als kalt und businesslike.
Aus vielen Texten sprach dagegen ein Bedürfnis nach Gegenseitigkeit, Erotik und emotionaler Nähe. Die Mehrheit der Männer war ganz offensichtlich nicht auf der Suche nach einer schnellen Nummer, sondern nach einer emotional authentischen und erotisch bereichernden Erfahrung. Schon diese einzelne Stichprobe bestätigt neuere Forschungen über männliches Sexualverhalten. So fanden die Sexologen Lautmann und Schetschke bei einer Inhaltsanalyse pornographischer Medien heraus, daß typische männliche Phantasien weniger um sexuelle Dominanz als um das sexuelle Begehrtwerden, sexuell initiative Frauen und das direkte Zur-Sache-Kommen kreisten. Aber auch das, was Bordellbetreiber über die Neigungen und das Verhalten ihrer Kunden berichten, paßt ins Bild der Selbstaussagen.
Die Männer wollen begehrt werden: Evelin
Die Männer wollen das Gefühl haben, begehrt zu sein. Das ist ganz wichtig, aber nicht jede Frau, die als Prostituierte arbeitet, kann dieses Gefühl gut vermitteln. Manche überlassen es dem Mann, den Anfang zu machen, und zu mir kommen die Männer dann und sagen: »Weißt du, ich muß zu Hause immer schon den Anfang machen.« Die wollen natürlich auch nicht bedrängt werden, aber wenn sie schon zu Hause drum betteln müssen, weil die Frau keine Lust hat, denn wollen sie nicht auch noch im Bordell die Initiative ergreifen müssen.
Manche suchen sicher die Ästhetik eines jungen Körpers.
Ich habe aber eher von meinen Gästen gehört, daß sie die reifen Frauen ein bißchen vermissen. Die Männer wissen, daß eine Frau mit mehr Erfahrung ganz anders mit einem Mann umgehen kann als eine jüngere. Die legen sich manchmal einfach nur hin und sagen: »Nun mach mal.« Die haben noch nicht die richtige Einstellung zum Liebesdienst! Ein Mann, der richtig verwöhnt werden will, zieht eigentlich eine reifere Frau vor. Oft wählen Männer auch eine eher unscheinbare Frau, weil sie dann das Gefühl haben, die hat vielleicht noch nichts verdient, und die freut sich vielleicht, wenn ich sie nehme. Und manche scheuen sich auch vor zuviel Schönheit.
Klischee Nr. 18:
Freier kompensieren mit ihren Prostitutionsbesuchen sexuelle Defizite.
Nicht jeder Mann findet den Weg ins Bordell allein. Kleiber und Veiten zufolge besuchten 8,2% ihrer deutschen Prostitutionskunden zusammen mit Kollegen, Freunden oder Bekannten den prostitutiven Ort des Geschehens. Der gemeinsame Prostitutionsbesuch als ritualisierte Stärkung männlicher Gruppenidentität ist nicht neu.
Generationen von Vätern und Onkels schleppten pubertierende Söhne und Neffen ins Bordell, damit erfahrene Frauen ihnen die Kunst der vaginalen Penetration vermitteln. Auch wenn die meisten
»Jungmänner« ihr erstes Mal inzwischen mit Privatpartnerinnen erleben, berichten Bordellbetreiber immer wieder von jungen Männern, die entweder allein oder mit einem männlichen Verwandten im Bordell aufkreuzen, um ihre »Unschuld« mit einer Prostituierten zu verlieren. In Kulturen mit repressiverer Sexualmoral ist diese Tradition die Norm.56 Wie und in welchem Ausmaß diese Ersterfahrungen das eheliche Sexualleben der jungen Männer und ihre Vorstellung von weiblicher Sexualität beeinflussen, darüber kann nur spekuliert werden. Fest steht: Wenn sie heiraten, tun sie dies mit einem sexuellen Erfahrungsvorsprung, den sie Prostitutierten verdanken. Deren erotische Kompetenz (oder Inkompetenz) dürfte auch die sexuellen Erfahrungen der jungen, sexuell meist unerfahrenen Ehefrau mit prägen.
Doch das Prinzip des »Male Bonding« entfaltet seine Wirksamkeit weit über die organisierte Initiation hinaus. In den unterschiedlichsten Kontexten stärken gesellige Stunden mit Sexarbeiterinnen ein sexualisiertes männliches Rollenverständnis. Männergruppen feiern Junggesellenabschiedsparties, sportliche oder berufliche Siege in Strip-und Table -Dance-Lokalen, Live-Sex-Shows oder Bordellen.
Nach dem Prinzip »Sex als Incentive« setzen Firmen gemeinsame Prostitutionsbesuche oft gezielt dazu ein, das Arbeitsklima zu verbessern und die Produktivität zu steigern. Egal, in welchen Strukturen Männer
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