Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
zusammenarbeiten - gemeinsame Bordellbesuche scheinen Gefühle der Nähe und des Zusammenhalts nachhaltig zu fördern. Manchen Arbeitgebern ist dieser produktivitätssteigernde Effekt fünf-bis sechsstellige Summen wert:
Aktionärsversammlung im Sex-Club: Philipp
In meinen Club kamen des öfteren Gruppen von Männern, die in irgendeiner Form beruflich zusammenarbeiteten. Ein bekannter Orchesterchef gab für sich und seine Musiker einmal für eine Nacht 20000 Mark aus. Ein ebenfalls nicht unbekannter Unternehmer hat bei mir während seiner Aktionärsversammlung in einer Woche mehr als 100000 Mark gelassen. Es ist doch normal, daß sich Männer im Bordell größeren Einblick in ihr Sexualverhalten geben als in den meisten Partnerschaften.
Entweder werden sie gemeinsam in einem Zimmer aktiv.
Oder zwei Männer teilen sich zwei Frauen, oder sie duschen zusammen. Man lebt eine etwas lockerere Sexualität als bei den eigenen Frauen, und mein Eindruck war immer, daß das deren Freundschaften und Zusammenhalt stärkt.
6 DIE AUSWIRKUNGEN
Klischee Nr. 19:
Männer verarbeiten ihre Prostitutionsbesuche
ohne moralische Bedenken.
Wenn Sex mit Prostituierten nicht nur unmittelbaren Lustgewinn verspricht, sondern männliche Bindungen stärkt, die Produktivität hebt, identitätsstiftend und heilsam wirkt, dann liegt der Schluß nahe, daß Männer ihre Erfahrungen mit Prostituierten überwiegend positiv verarbeiten. Doch zurückgebeamt in die Alltagswirklichkeit schlägt meist die Stunde der Abwehrmechanismen. Zwar schweigt sich die Wissenschaft über die emotionalen Auswirkungen von Prostitutionsbesuchen auf unterschiedliche Freiertypen aus, aber das Erfahrungswissen von Bordellbetreibern weist in ganz bestimmte Richtungen. Danach scheinen ungebundene und jüngere Männer die Spannungen zwischen Lust und Moral, sexuellem Notstand und Gewissen in ihrem Privatleben konfliktfreier zu verarbeiten als ältere, Erstkunden und Freier des Typs »Familienvater«. Evelin, deren Bordell einen hohen Single -Anteil und viele Kunden unter 40 anzieht, erlebt eher sehen, daß Gäste peinlich berührt den Ort des Geschehens verlassen. »Die gehen meist mit strahlenden Gesichtern nach Hause«, sagt sie, »das gibt mir das Gefühl, daß ich meinen Job gut mache.«
Bordelliers, die vor allem mit gebundenen Gästen zu tun haben, erleben hingegen oft plötzliche Stimmungsumschwünge.
Die Spannung ist raus: Mia
Wenn sie abgespritzt haben, ist die Spannung raus aus dem Körper. Plötzlich sind sie ernüchtert und wieder Herr ihrer Sinne. Viele verhalten sich dann so, als würden sie am liebsten gleich rausrennen, nach dem Motto: »Oh Gott, ich bin bei einer Nutte!« Diese unangenehme Situation versuche ich mit einem kleinen Gespräch zu überbrücken. Ich frage zum Beispiel: »Warst du schon im Urlaub?« oder »Wo fährst du denn dieses Jahr hin?« Um die Situation ein bißchen angenehmer zu machen, nicht so abgeschmackt und geschäftsmäßig. Aber viele wollen sich gar nicht unterhalten.
Die wollen sich nur schnell anziehen und dann nichts wie weg.
Der Moment, in dem die erfüllte Lust in Befangenheit umschlägt, ist nur ein Beispiel für den lautlosen Kampf zwischen Libido und Gewissen, den viele Prostitutionskunden anscheinend mit sich ausfechten. Ein anderes Beispiel ist das Rettersyndrom. Nicht wenige Sexarbeitennnen lernen irgendwann einen Gast kennen, der es darauf abgesehen hat, sie zu retten. »In meinen 28 Berufsjahren als Prostituierte kann ich wirklich sagen, 5-10% der Männer wollten mich retten«, so Nadja. »Manche wollen dich mit dieser Tour auch nur dahin kriegen, daß sie mal umsonst können. Ich kann inzwischen damit umgehen, ich sage dann einfach: ›Ich möchte nicht gerettet werden‹.« Philipp hat »einen Fall erlebt, wo ein Pädagoge zu einer jungen Frau nach vollbrachter Tat sagte: ›Was muß ich tun, damit ich meinen Schülerinnen dein Schicksal ersparen kann?‹ Eine unglaubliche Unverschämtheit, wie ich finde. Dieses Rettungsfaible der Männer hat mehr mit dem Bedürfnis zu tun, daß sie sich wie der große starke Ritter fühlen wollen. Es ist fast nie seriös gemeint.«
Das Bedürfnis nach moralischer Entlastung, das in diesen Phantasien aufblitzt, bestätigt, daß Männer ihre Exkursionen ins Land der kommerzialisierten Lust nicht selten mit Schuldgefühlen bezahlen.
Schon die Freierstudie von Hydra ergab, daß die überwiegende Mehrheit der Prostitutionskunden die Frage bewegte,
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