Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
Vom Netzwerk:
Die Generation unserer Mütter befreite sich durch eigene Berufstätigkeit zumindest partiell aus der Abhängigkeit der Familien-und Versorgungsehe. Doch auch deren Töchter geben ihre erotischen Ressourcen häufig nicht umsonst her. In den meisten Fällen erwarten sie Beziehungswerte: eine gleichberechtigte Partnerschaft, in der der Mann Liebe, emotionale Sicherheit und Treue gibt sowie Pflichten und Verantwortung in Haushalt und gemeinsamer Lebensführung mit ihnen teilt. Kaum jemand investiert Gefühle, ohne zu hoffen, daß sich der ganze Aufwand lohnt. Und nicht zuletzt entscheiden die Plus-und Minuspunkte auf dem Beziehungskonto über das Schicksal der Beziehung. Sex ohne immateriellen Mehrwert in Form von Beziehungsverbindlichkeiten oder Statusgewinn bleibt auch in Zeiten die Ausnahme, in denen lebenslange Ehen durch serielle Ehen oder Beziehungen abgelöst werden. Im Gegenteil: Das Denken in Kategorien des Gebens und Nehmens und die Idee einer Ausgewogenheit zwischen beiden Polen erfuhr durch den Verhandlungscharakter moderner Beziehungen sogar einen Aufschwung. Dabei geht es inzwischen nicht mehr primär um Versorgung oder um klar definierte Tauschgeschäfte, sondern um Partnerschaft und gleiche Rechte.
     
    Klischee Nr. 25:
    Männer sind sexuell aggressiv.
     
    Es ist vor allem ein Verdienst des Feminismus, diesen Bewußtseinswandel hin zu mehr Gleichberechtigung angestoßen zu haben. Ein weiteres Verdienst bestand darin, einige dunkle Seiten der Sexualität aus dem Kerker der Privatsphäre zu erlösen: Vergewaltigung, sexueller Mißbrauch, sexuelle Belästigung. Es bedurfte großen Muts, die Anmaßungen und Übergriffe, die das Verhältnis zwischen den Geschlechtern jahrzehntelang vergiftet hatten,, zu benennen und zu problematisieren. (Nicht umsonst nannte sich eine der ersten feministischen Zeitschriften Courage.) Doch indem Sex primär als männliches Macht-und Herrschaftsinstrument von feministischem Interesse war, entstand schnell der Eindruck, daß sich männliche Sexualität per se durch übergriffiges, egoistisches und aggressives Verhalten auszeichne. Die populärsten feministischen Parolen vermitteln den Eindruck eines unversöhnlichen sexuellen Interessenkonflikts: Andrea Dworkins Bonmot, daß der Geschlechtsverkehr ein Akt männlicher Kolonisierung sei, aber auch die Behauptung, »Pornographie ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis«, die sich trotz anderslautender empirischer Faktenlage in vielen Köpfen festsetzen konnte. Die Gleichsetzung von Sexualität und Gewalt begann auch für Alice Schwarzer beim Koitus als
    »unentbehrliche und zentrale Praxis in der Heterosexualität«. Aus feministischer Sicht erschien die vaginale Penetration als Inbegriff sexualisierter Gewalt. »Auch ist die psychologische Bedeutung dieses in sich gewaltsamen Aktes des Erniedrigens für Männer sicherlich nicht zu unterschätzen: Bumsen, wie es im Volksmund so treffend heißt, als höchste Demonstration männlicher Potenz!« schrieb Alice Schwarzer und schlußfolgerte: »Außerdem wird für viele Männer Gewalt gleich Lust sein und darum die Penetration vielleicht heute doch auch das Lustvollste.«70
    Diese Art der Rhetorik hinterließ das Bild vom Jammertal männlicher Sexualität: Männer waren sexuelle Monstren, penis-schwingende Kolonisatoren. Schwanz-und orgasmusfixiert, standen sie den Bedürfnissen und Empfindungen der Partnerin gleichgültig gegenüber, instrumentalisierten ihre Sexualität für Zwecke der Macht, des Erfolgs und der Anerkennung. Dieses feministische Zerrbild entsprach auch in den siebziger Jahren keineswegs der Sachlage.
    Tatsächlich wiesen Shere Hite sowie die Sexologen Pietropinto und Simenauer schon damals nach, daß Männer mehrheitlich sexuell aktive Frauen bevorzugen, ihre Orgasmen lieber zugunsten einer längeren Lustphase zurückhalten und nicht-koitale Formen sexueller Aktivität ebenso genießen wie den Koitus.71
    Mit solchen und ähnlichen ideologischen Positionen hat das feministische Establishment nicht nur jegliche Autorität verspielt, sich einigermaßen kompetent zu Themen der Männersexualität zu äußern.
    Indem Sexualität ausschließlich unter Gewaltaspekten thematisiert wurde, verriet der Mainstream-Feminismus auch den Diskurs über die Befreiung weiblicher Sexualität, der in den Anfangstagen des Feminismus noch eine entscheidende Rolle spielte. Er überließ die Sinnlichkeit Madonna, den analytischen Scharfsinn Camille Paglia und die naturwissenschaftliche

Weitere Kostenlose Bücher