Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
der Feminismus von gutem Sex, außer daß er irgendwie einfühlsamer abzulaufen hatte als ein Übergriff? Es war vor allem der Opferstatus, der den Feministinnen ein Eintrittsticket in die von einem soziologistischen Zeitgeist beherrschte Diskussion bescherte, in der Privates gleichzeitig politisch zu sein hatte. Doch ein Feminismus, der Sex bevorzugt mit Sexismus oder Gewalt gleichsetzte, dessen emanzipatorische Ansprüche sich in beziehungsinternen Machtkämpfen erschöpften, der die Sinnlichkeit aufgab, korrumpierte letztlich das Geschlechterverhältnis. Seine sexualfeindlichen Botschaften trieben Männer ins Bordell und Frauen in die Therapie.
Klischee Nr. 27:
Man wird nicht zur Frau (zum Mann) geboren,
sondern dazu gemacht.
Die Auswirkungen dieser Agonie sind bis heute zu spüren. In kaum einem Lebensbereich sorgt der Geschlechterkampf für so viel Verwirrung wie in Partnerschaft und Sexualität. Einerseits hat sich ein Common Sense herausgebildet, der besagt, daß das Innenleben von Männern und Frauen in getrennten Räumen stattfindet. Andererseits schwingen sich Therapeuten, Journalisten und Autoren zu Beziehungsrettern auf und suggerieren, daß die Widersprüche mit entsprechenden Einstellungsänderungen überbrückbar wären. Ein alter Streit ist entflammt über die Frage, ob Geschlechterdifferenzen biologisch begründet oder ein Produkt der Sozialisation sind. Bis in die neunziger Jahre hinein galt die Vorstellung, daß Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln von Männern und Frauen durch Erziehung, soziales Umfeld und kulturelle Prägung verursacht und vermittelt seien, als unumstritten und wurde zum kleinsten gemeinsamen Nenner der einflußreichsten Diskurse über Sexualität.
Wenn Frauen und Männer sich wie Figuren auf einem Brettspiel nach vorhersehbaren Mustern bewegten, dann weil die Gesellschaft nichts anderes von ihnen erwartete. Feministinnen, Kapitalismuskritiker, Psychoanalytiker, Therapeuten und Vertreter der Gender Studies verstanden den Menschen auch in seinem Sexualverhalten als ein Produkt seiner (Macht-) Verhältnisse.
Die Wellen schlugen hoch, als sich naturwissenschaftlich orientierte Experten mit neuen physiologischen und evolutionspsychologischen Erkenntnissen in die Debatte einmischten. Sie behaupteten, Frauen und Männer seien keine Tabula rasa, die durch Umwelteinflüsse zur kulturellen Matrix werden, sondern hätten inhärente Tendenzen, sich auf bestimmte, z. B. auch geschlechtstypische Weisen zu verhalten.
Eine Fülle von ethnologischen, endokrinologischen, genetischen, psychologischen und sexualwissenschaftlichen Untersuchungen schienen diese Perspektive zu untermauern. Und so gelten nach heutiger Lehrmeinung und derzeitigem Kenntnisstand einige geschlechtstypische Unterschiede als biologisch mit verursacht, z. B.
die Geschlechtsidentität, das bei Männern stärker ausgeprägte räumliche Vorstellungs- und Orientierungsvermögen, eine stärkere Neigung zu unprovozierter Aggressivität sowie ein ausgeprägteres Sozialverhalten bei Frauen.72 Andererseits wurden einige weitverbreitete Annahmen über typisch männliches oder weibliches Sexualverhalten gründlich revidiert.
Klischee Nr. 28:
Männer sind von Natur aus promisker und haben
eine stärkere Libido als Frauen.
Die Frage, ob Promiskuität, Treue, Monogamie und das größere Interesse von Männern an Gelegenheitssex biologisch oder sozialisatorisch begründet ist, löste selbst unter Evolutionsbiologen aufs hitzigste geführte Debatten aus. Konservative Wissenschaftler wie David Buss unterstellten Männern im Interesse eines gesteigerten Fortpflanzungserfolgs ein stärker promiskes Verhalten und Frauen ein Interesse an dauerhaften monogamen Beziehungen.73 Doch je mehr man über die Mechanismen herausfand, die den Fortpflanzungserfolg begünstigen, desto klarer wurde auch: Frauen sind von der Natur nicht weniger zur Promiskuität disponiert als Männer. Der britische Biologe Robin
Baker widerlegte das Klischee vom sexbesessenen Mann und der treuen Frau u. a. mit dem Nachweis, daß wahllose Mehrfachbegattungen den Fortpflanzungserfolg nicht stärker steigern als z. B. die monogame Paarbindung.74 Daß Frauen nicht von Natur aus auf Treue geeicht sind, zeigen u. a. auch die Beobachtungen der modernen Primatenforschung über promisk lebende Menschenaffenweibchen und die Vorteile, die sich aus der Fähigkeit zum unsichtbaren Eisprung ableiten.75 Anders als z. B. bei Schimpansenweibchen gibt es bei
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