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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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zerbrechen wollte, mußte lernen, die Sexarbeit ohne echte emotionale Beteiligung, quasi als »Dienst nach Vorschrift«, zu absolvieren. Ein veränderter Zeitgeist und demokratischere Arbeitsbedingungen haben Orgasmen am Arbeitsplatz jedoch nachhaltig aufgewertet. »Die meisten sagen danach immer: ›Du hast doch gar keinen bekommen‹«, so Nadja über die Verblüffung mancher Kunden darüber, daß Lustschreie in Bordellen plötzlic h authentisch klingen. »Das finde ich immer total lustig. Wenn du einen kriegst, sind sie sicher, du hast ihn vorgetäuscht.«
    Nadja, die sich selbst als »Klischeehure« bezeichnet, weil sie als Mädchen von ihrem Vater vergewaltigt wurde und mit 13 Jahren in die Prostitution einstieg, widerlegt auch das Klischee, daß sexueller Mißbrauch zwangsläufig die eigene Lustfähigkeit zerstört. Anstatt in einer Beziehung lernte sie in der Prostitution, Sexualität zu genießen.
    Wenn es nach feministischen Konstruktionen weiblicher Sexualität ginge, hätte Nadja entweder ihren Lebensstil ändern oder sehr lange in einer Therapie an sich arbeiten müssen, um irgendwann mit einem Privatpartner Lust zu empfinden. Doch wenn sexuelle Aktivitäten nicht - wie in Privatbeziehungen vieler Mißbrauchsopfer - konsequent vermieden werden und wenn das eigene Begehren an unterschiedlichen Männern erprobt werden kann, ist es nur logisch, daß erfüllte Sexualität auch jenseits monogamer Bindungen erlebt werden kann.
     
    Meistens wird irgendwann ein Freier mein Liebhaber: Nadja
     
    Meinen jetzigen Freund traf ich vor acht Jahren im Bordell. Es lief wie bei jedem Gast: Er rief an, ich hob ab und beschrieb mich am Telefon: »1.75 groß, BH-Cröße 90 C, Kleidergröße 38, ich schwanke so leicht in die 40, rothaarig, frech, Sommersprossen.« Das war sozusagen mein Standard-spruch. Als er bei uns eintraf, war ich gerade mit einem anderen Kunden beschäftigt. Er wartete, bis ich mich bei ihm vorstellen konnte, dann gingen wir auf ein Zimmer. Dort stellte sich heraus, daß er eine private Phantasie inszenieren wollte: Ich sollte mich aufs Bett legen und so tun, als ob ich am Strand in der Sonne liege, während er mich verführt.
    Während er mir seine Phantasie schilderte, wirkte er unheimlich aufgeregt. Als ich ihn darauf ansprach, gestand er, eine Heidenangst zu haben. Es war sein erster oder zweiter Puff-Besuch nach dem Mauerfall, und er hatte keine Ahnung, was er zu erwarten hatte. Er hatte sogar einen Flachmann dabei und trank sich zwischendurch ein paar Schlückchen Mut an. Amüsiert trug ich das Geld in den Aufenthaltsraum, wo ich mit meinen Kolleginnen erst mal herzlich abgelacht habe. Zurück im Zimmer, legte ich mich dann aufs Bett und tat so, als liege ich irgendwo am Strand.
    Wie gewünscht, zierte ich mich ein bißchen, um schließlich die Willige zu spielen. Meine Inszenierung seiner Strandphantasie muß ihm zugesagt haben, denn eine Woche später stand er wieder vor der Tür, und mit der Zeit wurde er mein Stammgast.
    Ich begann mich auf die Rollenspiele zu freuen. Mit jedem Besuch brachte er eine neue Idee mit, und auf diese Weise hatten wir nie abgedroschenen Sex. Im Laufe der Zeit wurden wir immer vertrauter miteinander. Manchmal aßen wir nach dem Sex zusammen Pfannkuchen und unterhielten uns. Irgendwann fragte er mich, ob wir uns nicht privat treffen könnten, doch dazu war ich noch nicht bereit. Als er mich wenig später wieder im Bordell besuchte, überreichte er mir ein offiziell wirkendes Schreiben. Ich staunte nicht schlecht, als ich realisierte, daß es sich um einen Aids-Test handelte. Obwohl ihm die Untersuchung beim
    Gesundheitsamt peinlich war, hatte er sich extra für mich untersuchen lassen! Irgendwie hat das alles verändert. Mit dem Geld, das er mir gab, ging ich zur Chefin und sagte:
    »Jetzt werde ich zum ersten Mal in diesem Laden ohne Kondom und ohne Geld Sex haben und so lange auf dem Zimmer bleiben, wie ich es will.« Nachdem ich diese Erklärung abgegeben hatte, ging ich zurück aufs Zimmer und gab ihm sein Geld zurück. »Ich möchte nicht, daß du mich jemals wieder im Puff besuchst«, sagte ich und gab ihm meine Privatadresse. Daraufhin küßte ich ihn und zerrte ihn für die nächsten drei Stunden ins Bett.
     
    Da er verheiratet ist, mußten wir uns anfangs heimlich treffen und konnten uns auch nie lange sehen. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Frau mißtrauisch wurde. Zu meiner großen Freude legte er daraufhin die Karten auf den Tisch und

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