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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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ihre Lust nicht nach der Uhr richten müssen.
    Kein Alkohol und schon gar nicht Drogen!
    Nur Einzelempfang - keine grölenden Junggesellenparties.
    Diskretion und Verschwiegenheit gegenseitig (!), da wir auch in einem normalen Berufsleben stehen.
    Hygiene und Sauberkeit - Wir wollen uns nicht »abtörnen«
    lassen.
    Angemessener Umgangston uns gegenüber. Beleidigungen und Frechheiten verhindern verständlicherweise einen offenen Umgang miteinander. Daher werden wir in solchen Fällen von unserem Hausrecht Gebrauch machen (Klartext: Rausschmiß!)89
     
    Ähnliches gilt für die Vorstellung, daß die Bedingungen und Abläufe des sexuellen Tauschgeschäftes einseitig vom Kunden diktiert werden.
    Sie ist so absurd wie die Annahme, daß es in einer privaten Beziehung automatisch psychologische Machtgleichgewichte und sexuelle Harmonie gibt. Der Verhandlungscharakter moderner Beziehungen findet sein prostitutives Pendant in Absprachen und Abgrenzungsmanövern. Jeder eigenverantwortliche oder unter fairen Bedingungen vermittelte Kontakt mit einem Kunden läuft auf 1 einen mündlichen Vertrag hinaus. Vorgespräche, Preislisten P oder die Hausordnung regeln Art, Umfang, Preis der Dienstleistung und den allgemeinen Umgang. Im Bordell oder Studio begibt sich der sexhungrige Mann in einen Kontext mit Rahmenbedingungen und Abläufen, die von anderen festgelegt wurden und eingespielten Mustern folgen. Im Grunde genommen drehen sich die Machtverhältnisse um: Er wartet auf die Dienstleisterin, legt Kleidung und Wertsachen ab, wird in die Dusche geschickt, nackt ins Zimmer geführt und diskret auf Krankheitssymptome untersucht. Entblößt, sexuell bedürftig und als einer unter vielen befindet er sich psychologisch in der Defensive.
    »Die Frau auf dem Zimmer hat immer die Macht«, so Nadja. »Einmal hatte ich einen Kunden, der kaute in aller Seelenruhe einen Kaugummi. Ich sagte: ›Könntest du bitte den Kaugummi aus dem Mund nehmen? Oder machst du das zu Hause auch? ‹ Daraufhin er:
    ›Nee, zu Hause mach ich das nicht, aber warum kann ich den denn hier nicht zu! Endekauen?‹ Daraufhin ich: ›Gut, wir machen es einfach so: Du kriegst die 70 Mark zurück und kannst gehen. Entweder nimmst du mich als Frau wahr oder als Mülltonne.‹ Da wurde er ganz kleinlaut, nahm den Kaugummi aus dem Mund und legte ihn in den Aschenbecher.«
    Das Geld strukturiert die Kundenbeziehung in einer Weise, die die Frau stärker ermächtigt als allgemein angenommen. Das Prinzip der Vorkasse verleiht ihr zumindest theoretisch die Macht, die gemeinsam verbrachte Zeit ganz nach Gusto zu gestalten, sobald er das Geld auf den Tisch gelegt hat. Für Larissa sind die Machtverhältnisse schon bei der Auswahl zugunsten der Frau verteilt: »Eigentlich hat man als Frau schon Macht über einen Mann, wenn er dich von fünf oder sechs Kolleginnen aussucht. Irgend etwas an mir gefällt ihm. Er will mich und keine andere. Und schon habe ich eine gewisse Macht. Und dann bekomme ich das Geld. Man kann sagen, er hat die Macht, weil er das Geld hat. Aber wenn ich es in meinen Händen halte, ist es mein Geld.
    Und dann muß er zusehen, daß er was von seinem Geld hat. Ich bin nicht der Typ, der die Männer über den Tisch ziehen will. Aber es obliegt meiner Macht, ob er das kriegt oder nicht.«
     
    Zugeständnisse und Lernprozesse: Evelin
     
    Natürlich gibt es Frauen, die sich in erster Linie des Geldes wegen prostituieren und dazu neigen, Zugeständnisse zu machen. Aber die sind ja nicht von mir genötigt oder bedrängt - im Gegenteil, ich versuche die meist zu bremsen.
    Aber wenn eine Frau wirklich mit jedem geht, auch wenn ihr der noch so unangenehm erscheint, dann ist das ihre ureigene Entscheidung. Und ich muß dazu sagen, daß es auch in anderen Jobs nicht immer nur Spaß macht. Auf der anderen Seite habe ich in der Prostitution gelernt, auch mit Männern Lust zu empfinden, an denen ich auf der Straße vorbeigelaufen wäre, die vielleicht sogar in irgendeiner Form unattraktiv waren und denen ich früher keine Chance eingeräumt hätte. Als Jugendliche habe ich mich in die Diskothek gesetzt und nach dem schönsten Mann Ausschau gehalten. Alle anderen, die durften mich gar nicht ansprechen. Erst in der Sexarbeit habe ich gemerkt, man kann richtig Spaß haben mit Männern, mit denen man sich das vorher gar nicht vorstellen konnte. Das war für mich ein sehr wertvoller Lern-und Reifeprozeß, denn seitdem gehe ich nicht mehr nur nach dem Äußeren.
     
    Klischee Nr.

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