Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
eingeölten Penis anschließend mit einem warmen
Waschlappen reinigen. »Sie müssen ja nicht sagen: ›Du stinkst«, beschwichtigte ich sie.
Am nächsten Tag komme ich wieder in den
Aufenthaltsraum und stelle fest: Die Frauen bleiben alle sitzen. Es kam zu einer Aussprache. Sie entschuldigten sich und erklärten, sie hätten sich erst mal so vor den Kopf geschlagen gefühlt, daß sie nicht wußten, wie sie damit umgehen sollten, daß ich als Prostituierte arbeite. Ja, und dann gab es nur noch ein Thema: Sex, und zwar sämtliche Kategorien. Schwänze. Fremdgehen. Was kann ich tun, um meinen alten Sex-Appeal zurückzubekommen. Was kann ich tun, wenn aus Verliebtheit Normalität wird. Wie kann ich den Sexakt abkürzen, wenn ich müde bin. Wie kann ich ihn hinauszögern. Welche neuen Anregungen kann ich in unser Sexleben einbringen. Wie reagiere ich, wenn mein Mann vorschlägt, gemeinsam einen Porno anzusehen. Kurz und gut: Ich hab mit den Ehefrauen Beratung gemacht. Und als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, gaben sie mir ihre Telefonnummern und schenkten mir Konfekt.
Klischee Nr. 35:
Partnerinnen von Freiern sind unbeteiligte Dritte.
Von allen am Tauschgeschäft Beteiligten ist die Partnerin des Prostitutionskunden der Teil des sexuellen Dreiecks, der nicht nur im Schatten, sondern in tiefschwarzer Finsternis liegt, die große Unbekannte, die wie eine Sphinx über den Sexarbeitsszenarien schwebt. Ahnt sie, daß sie Teil einer solchen Konstellation ist? Und falls ja, wie geht sie damit um? Wagt sie es, offen über ihre vermutlich ambivalenten Empfindungen zu sprechen? Über die Beziehungsfragen, die die grenzüberschreitenden Sexaktivitäten ihres Partners aufwerfen? Zumindest nach Studien über Partnerinnen von Prostitutionskunden sucht man vergebens. Doch die Mauer des Schweigens kann nicht verbergen, daß die meist schweigende Dritte an den Tauschgeschäften beteiligt ist - subtil, aber unmittelbar und in unterschiedlicher Form. Es beginnt bei der Motivationslage der Kunden. So äußerten sich Prostitutionskunden in der Hydra-Freierstudie höchst aufschlußreich darüber, was Sexarbeiterinnen gegenüber festen Partnerinnen attraktiv macht:
1. der Reiz des Neuen, die Abwechslung, Spannung, Neugier, Abenteuer,
2. Unverbindlichkeit, keine Erwartungen in puncto Beziehung, Verantwortung etc.,
3. kein Leistungsdruck, kein Zwang zur Aktivität, Passiv-sein-Dürfen, sich verwöhnen lassen,
4. Unkompliziertheit, Unbefangenheit, Lebenslust, freier Umgang mit Sexualität.94
Diese Statements sprechen für sich. Im Vergleich zum Prostitutionskontakt wird die Beziehungssexualität von den gebundenen Kunden offenbar weder als gleich intensiv noch als ähnlich befreiend erlebt. Klar: Daß der Reiz des Neuen sich auf beiden Seiten allmählich verflüchtigt, scheint irgendwie in der Natur einer langjährigen Beziehung zu liegen. Doch inwieweit Sexualität für Beziehungsinteressen oder gar Machtspiele instrumentalisiert wird, liegt durchaus im bewußten Ermessen von Beziehungspartnern.
Sexuelle Verweigerung, Lustlosigkeit und erotischer Konservatismus seitens der Partnerin sind nur drei klassische Muster, die sexuelle Treuebrüche geradezu provozieren.
Als passives Ende des Dreiecks wird die Partnerin aber auch zur Zielscheibe von Abwehrmechanismen. Nach den Erfahrungen von Hydra sprechen rund die Hälfte der Männer aus Angst vor Streit, Unverständnis, Trennung, Liebes und Sexentzug mit ihren Partnerinnen nicht über ihre Prostitutionsaktivitäten. Konfrontiert mit Ausreden, Lügen oder Gedächtnislücken, wird sie in eine Situation gebracht, auf Unstimmigkeiten zwischen männlichen Worten und Taten zu reagieren. Selbst wenn es für sie einen Unterschied macht, ob er sich mit einer Prostituierten oder einer heimlichen Geliebten vergnügt - woher soll sie wissen, woran sie ist, wenn er sich einfach nur komisch verhält? Ob die heimlichen Sexaktivitäten offengelegt oder geleugnet werden - es entsteht eine emotionale Leerstelle, ein Widerspruch zwischen Schein und Sein, der nach Auseinandersetzung und Verarbeitung ruft. Immerhin macht uns das Beziehungsideal weis, daß die emotionale Tiefe der Liebe an die sexuelle Treue gekoppelt ist.
Geht man von der Gefühlslage einzelner Partnerinnen aus, die sich in einer solchen Situation an Sexualberater gewandt haben, so werden wir Zeugen sexueller Identitätsschwächen, Rationalisierungen und Projektionen. »Die Frauen sagen, sie haben meist mehr Angst, daß ihr
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