Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Hunderttausende Männer, die sich täglich über den Preisverfali in der Prostitution freuen.«122
Klischee Nr. 42:
Freier können an der Ausbeutung
der Prostituierten nichts ändern.
Auch ohne kriminalistisches Knowhow läßt sich die Spur des Geldes mühelos an seinen Ursprungsort zurückverfolgen. Bevor sich der prostitutive Cashflow in legale und illegale Finanzströme einfädelt, ruht er in den Geldbörsen der Kunden. Auch wenn diese mit der Geldübergabe die Kontrolle über den weiteren Weg grundsätzlich aufgeben, stellen sie eine Art Nachfragemacht dar, die qua Konsumentenbewußtsein den Weg des Geldes durchaus in bestimmte Richtungen lenken kann. Prostitutionskunden sind längst nicht mehr so naiv und unerfahren wie vor drei Jahrzehnten, als nach der Abschaffung des Kuppeleiparagraphen viele zum ersten Mal ein Bordell von innen sahen. Manches spricht sogar dafür, daß sie die Gepflogenheiten der hiesigen Rotlichtprostitution bislang bestenfalls als notwendiges Übel in Kauf genommen haben. Selbst wenn das verruchte Ambiente des Rotlichts dem ein oder anderen als Reizverstärker gelegen kam, so dürfte sich die erotis ierende Wirkung spätestens beim routinierten Nachkobern, der lustlosen Abfertigung oder dem gelegentlichen Anblick eines Zuhälters verflüchtigt haben.
Viele Kunden sind sich bewußt, daß die Rotlichtprostitution nicht nur die Frauen, sondern tendenziell auch sie ausbeutet. Die klassische Kalkulation eines Zuhälters sieht vor, die Frau kostspielig einzukleiden und mit vier-bis fünfstelligen Beträgen in eine Schuldenfalle zu locken. High-Heels, angeschweiß tes Echthaar, enganliegende Outfits sollen den Freiern die Sinne vernebeln.
Tatsache ist, daß viele Kunden hinter der Fassade geklönter Barbiepuppen genau die Abzocke vermuten, die das Outfit stellvertretend für die Gepflogenheiten des Rotlichtmilieus repräsentiert. »Auch auf der anderen Seite von CK gibt's Strassenstriche, z. B. bei Philippsreut», so ein nach eigenen Angaben passionierter Straßenfreier stellvertretend für viele Gleichgesinnte im Internet. »Aber Vorsicht! Die Aufgedonnerten da sind ganz abgezockte Luder, nehmt lieber die normal aussehenden (Jeans usw).
Die sind noch aus Spass bei der Sache.«123 Von einem kritischen Kundenbewußtsein profitieren Frauen wie Nadja, die immer wieder unabhängig auf der Straße arbeitete und sich im Normal-Look wohler fühlte als im Barbie -Outfit. »Ich trug ganz normale Klamotten, kurze Hosen und Top, manchmal habe ich auch in Jeans gearbeitet«, so Nadja über ihren informellen Dress-Code auf dem Straßenstrich. Wo die Bedürfnisse der Kunden mit denen der Frauen übereinstimmen, könnte der ausbeuterische Straßenstrich bald zum Auslaufmodell werden - zumindest in Regionen mit Alternativen wie besagtem Philippsreut. Auch im Internet finden sich immer mehr Inserate von Prostituierten in Großbritannien und den USA, die mit der Bezeichnung »independant escort« für ihre Unabhängigkeit von der Rotlichtmafia werben.
Die Ergebnisse der Freierstudie von Kleiber und Veiten legen ebenfalls ein Konsumentenverhalten nahe, das mit den Anliegen der neuen Sexarbeit durchaus vereinbar ist. Die Prostitutionsforscher fanden heraus, daß die Kontaktaufnahme zu 47,3% telefonisch auf eine private Anzeige hm stattfand, d. h. fast jeder zweite Freier reagierte auf eine privat wirkende Annonce und schaltete dadurch zumindest in seiner unmittelbaren Wahrnehmung Nutznießer des Tauschgeschäftes aus. 36,5% der Prostitutionsbesuche fanden in einem Bordell statt, 10,3% in einem straßenstrich-typischen Ambiente (Auto, Pension, im Freien) und 42,6% in der Wohnung der Frau. Die Mehrheit der Kunden suchte keine »schnelle Nummer«: Ein Drittel blieb eine halbe Stunde, ein weiteres Drittel eine volle Stunde, immerhin 21% blieben länger als eine Stunde. Über zwei Drittel gaben mehr als 100 DM pro Besuch aus: 32,2% zahlten bis zwischen 50 und 100 DM pro Besuch, 35,6% zwischen 100 und 200 DM.
28,6% berappten mehr als 200 DM pro Besuch, 3,6% sogar mehr als 500 DM.124 Diese Zahlen zeigen, daß Prostitutionskunden an einer finanziellen Ausbeutung von Sexarbeiterinnen kein Interesse haben.
Warum sollten sie auch? Schließlich erwarten sie wie andere Konsumenten auch für ihr Geld vor allem Qualität.
Klischee Nr. 43:
Die Sexbranche ist eine separate Welt
ohne Berührungspunkte zu anderen Bereichen
der Wirtschaft.
Wenn die Umsätze der Prostitution von den Schwankungen des
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