Lass es bloss nicht Liebe sein
Weilchen dauern, bis sämtliche Formalitäten erledigt sind.«
Lily nagte unschlüssig an ihrer Unterlippe. Sie mochte ihn bestimmt nicht drängen von wegen Beziehung und so, trotzdem hätte sie gern Gewissheit gehabt. Sie merkte ihm jedoch an, dass er momentan ganz auf Weston’s und seinen Job fixiert war, denn dafür wurde er schließlich bezahlt. Auch okay, musst du dich halt gedulden, beschwichtigte sie sich. Wenn diese Geschichte vorbei ist, ist immer noch Zeit, Beziehungsfragen zu klären.
Sie setzte sich auf einen der Plastikstühle, die in dem langen Korridor standen, William verschwand in einem der Polizeibüros. Sie schlug die Augen nieder, vermied den Blickkontakt mit den diensthabenden Beamten, die anscheinend nichts Besseres zu tun wussten, als sich neugierig über ihre Schreibtische zu hängen und sie durch die offen stehenden Bürotüren hindurch anzugaffen. Ein junger Mann brachte ihr ein Glas Wasser, und sie bedankte sich höflich. Ansonsten saß sie da, starrte Löcher in das Linoleum, wurde müde von der Hitze und musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle einzuschlafen. Irgendwann döste sie ein, ihr Kopf sank vor die Wand, ihr Mund klappte auf. Bis William sie wachrüttelte und ihr die Autoschlüssel in die Hand drückte.
» Geh, und schlaf ein bisschen im Wagen. Das hier kann länger dauern.«
Sie rieb sich die Augen. » Weißt du was, ich fahr ins Hotel zurück.«
Sie schälte sich aus ihrem Sommerkleid, das verschwitzt an ihrem Körper klebte, und lief ins Bad, wo sie ausgiebig duschte. Dann legte sie sich auf das Bett und wartete.
Am Spätnachmittag, William war immer noch nicht zurück, zog Lily ihr Kleid wieder an und schlenderte in der stickigen Hitze über die Piazza. Die Einheimischen trafen sich dort auf ein Schwätzchen, Touristen kurvten mit Fahrrädern über den Platz, Kindern tollten lachend über die Grasflächen. Sie ließ sich von der Menge treiben.
Das Zusammentreffen mit Robbie war zum Glück ganz gut gelaufen. Es war vorbei. Sie hatte ihm einen Revolver vor die Nase gehalten und ihm Sachen an den Kopf geworfen, die sie im Nachhinein selbst verblüfften. Nicht dass sie das sonderlich juckte. Er hatte ihr zuhören müssen, weil sie ihn mit einer Waffe bedrohte. Sein blödes Gelaber war ihr schlicht zu bunt geworden.
Sie schlenderte in der aufziehenden Dämmerung durch die mittelalterlichen Gassen und genoss das historische Flair– das unebene Kopfsteinpflaster, die mit Azaleen, Margeriten und leuchtend bunten Stiefmütterchen bepflanzten Blumenkästen, die frisch gestrichenen Läden, nicht mal der herumfliegende Müll und die Hundehäufchen konnten ihre gute Laune beeinträchtigen. Sie betrat das Hotel, und der Portier an der Rezeption nickte ihr höflich lächelnd zu.
» Signora?«
Ihr Blick schoss verblüfft zu ihm. » Si?«
» Ihr Mann, er anrufen und sagen, wird spät mit Arbeit bei polizia, und Sie essen ohne ihn.«
» Grazie«, antwortete sie knapp und nach außen hin gefasst, als wäre das nichts Neues für sie. Im Grunde ihres Herzens begann sie jedoch, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Es kann noch dauern, hatte er gesagt. Aber wie lange? Wie lange wollten sie ihn eigentlich noch auf dem Kommissariat festhalten?
21
Lily wurde von hartnäckigem Klopfen geweckt. Sie setzte sich auf, rieb sich mit den Händen durch das Gesicht und blinzelte zum Fenster. Es war schon Morgen, durch die Läden fielen dünne Streifen Tageslicht. William schlief neben ihr, und zwar komplett angezogen. Nach seiner Rückkehr hatte er sich bestimmt sterbensmüde und so, wie er war, auf das Bett fallen lassen.
» William… es klopft.«
Er hatte sein Gesicht in den Kissen vergraben.
» Da klopft jemand«, wiederholte sie, dieses Mal mit mehr Nachdruck.
» Scheiße«, seufzte er und drehte sich um. » Vermutlich wieder die Polizei.« Er stapfte zur Tür.
Lily registrierte das Blut auf dem Kissen. William brauchte dringend eine Auszeit.
» Hi, ich will zu Lily.«
Eine unangenehme Pause schloss sich an. Lily drehte sich der Magen um, kaum dass sie Robbies Stimme erkannte.
» Wie haben Sie uns gefunden?«, wollte William wissen.
» Meine Kumpel bei der polizia haben mir gesteckt, in welchem Hotel Sie abgestiegen sind. Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt zu meiner Freundin.«
» Lily will Sie aber nicht sehen.«
» Hab ich Sie danach gefragt? Das soll sie mir gefälligst selbst sagen.«
Lily konnte die beiden Männer zwar nicht sehen, aber sie konnte
Weitere Kostenlose Bücher