Lass es bloss nicht Liebe sein
eindringen sollten, wollte sie sie mit einem gezielten Tritt zu Fall bringen, ihnen karatemäßig eins über die Birne bretzeln und mal ein ernstes Wort mit ihnen reden. Die Jungs wären garantiert dermaßen fertig, dass sie bloß noch nach ihren Mammas wimmern würden.
William schwenkte ein Küchentuch, das er an einem Besenstiel festgemacht hatte, vor dem Fenster. Prompt wurde von draußen auf die Scheibe geballert, Glassplitter und Kugeln regneten ins Zimmer.
Weil Graciella zusehends hysterisch wurde, kroch Lily zu ihr, setzte sich neben sie und tätschelte begütigend ihre Hand. » Keine Sorge, er schafft das schon, er boxt uns hier raus«, sagte sie mit einem vielmeinenden Blick zu William.
» Das hoffst du«, ätzte Robbie über Graciellas Kopf hinweg.
Graciella fing an zu heulen, und Lily zog Robbie eine ärgerliche Grimasse.
» Nein, Graciella, bloß nicht aufregen, er packt das«, bekräftigte Lily. » William weiß, was er tut. Gott sei Dank ist wenigstens einer von uns so clever.«
Weitere Schüsse detonierten, gefolgt von laut gebrüllten Anweisungen. Lily legte die Arme um Graciella und flüsterte: » Keine Sorge, das ist bestimmt die Polizei.«
Die Minuten verstrichen, dann brummte Williams Handy. Er nahm das Gespräch an und grinste dabei. Dann stand er auf, lief zur Tür und riss sie auf. Lily spähte neugierig ins Freie und gewahrte ein halbes Dutzend Polizisten, die in ihren marineblauen Uniformen umherschritten. Ihre Alfa-Romeo-Flotte, die mit aufgeblendeten Scheinwerfern in der weiß gekiesten Auffahrt aufgereiht stand, tauchte die dramatische Szenerie in grelles Licht.
William trat zu ihnen. Es wurde temperamentvoll diskutiert, gestikuliert, Formulare wurden geschwenkt, Stifte gezückt, Zigaretten geraucht und Kippen ausgetreten. Kaum trat Lily mit Graciella aus dem Haus, glitten sämtliche Blicke zu ihnen. Die Polizisten strafften sich, lächelten und schmetterten ein höfliches Buon Giorno.
Willam verschwand kurz im Haus und kehrte mit der Laptoptasche zurück. Er nahm das Buch heraus und legte es auf die Kühlerhaube eines der Polizeifahrzeuge. Der Polizeiführer streifte lässig-gekonnt seine Handschuhe über.
» Mamma mia«, rief er, sobald er das Buch öffnete, und lachte vergnügt. Auf der Seite, die er aufgeschlagen hatte, war ein Satyr abgebildet, der es mit einer Ziege trieb. Die anderen Polizisten scharten sich um ihn, frotzelnd und feixend. Lily verstand zwar nicht, was sie sagten, sie reimte sich jedoch so einiges zusammen, denn Graciella bekam vor Verlegenheit erdbeerrote Ohren.
Eine kurze Weile später, als der Polizist das Buch unter Verschluss genommen hatte, trat William zu Lily. » Wir fahren erst mal im Konvoi mit ihnen nach Lucca aufs Kommissariat. Dann sehen wir weiter.«
» Und was passiert mit Robbie?«, erkundigte sie sich.
» Nichts. Ich hab der Polizei die Sachlage so geschildert, dass er das Buch nicht wirklich gestohlen hat und dass er es mir zurückgab, als die Mafiosi hinter uns her waren. Die Typen dürfen die nächste Zeit im Knast von Lucca schmoren.«
Robbie schlenderte eben zu ihnen. William ignorierend umschlang er Lily und flüsterte ihr ins Ohr: » Ich finde dich überall, Herzchen, keine Sorge.«
Sie schälte sich unbehaglich aus seiner Umarmung und stapfte hinter William die Auffahrt hinunter, vorbei an den Polizeiautos, zu ihrem Leihwagen. Kurz darauf setzte sich ein Fahrzeug vor sie, zwei folgten ihnen. Begleitet von dieser Polizeieskorte, brausten sie durch Haarnadelkurven, vorbei an Calla und Kastanienbäumen, zurück in die Stadtmauern von Lucca.
» Wie fühlst du dich? Wie geht es deinem Kopf?«, fragte sie.
» Ich kann nicht klagen, eigentlich ganz gut.«
Lily legte eine Hand auf seinen Schenkel und streichelte über sein Bein. » Sicher, dass ich nicht lieber fahren soll?«
» Nein, ich pack das schon.«
Als sie die Ebene erreichten, wurde es zunehmend wärmer und stickiger. Die üppig grüne Parklandschaft der Berge wich Landstraßen und Einkaufszentren. Sie folgten dem Polizeiauto durch die Stadttore zum Kommissariat.
» William, um noch mal darauf zurückzukommen, was Robbie gesagt hat… über mich… und meine Vergangenheit…«
» Jeder hat eine Vergangenheit.«
» Okay, meine Drogenabhängigkeit, wenn du es genau wissen willst. Stört dich das?«
Statt ihr zu antworten, konzentrierte er sich darauf, auf dem Polizeigelände einen Parkplatz zu finden. Er schaltete die Zündung aus und erklärte seufzend: » Es kann ein
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