Lass Es Gut Sein
funktionieren und wird irreparable Konflikte auslösen.«
Mit den Prinzipien des freien Marktes ist das Streben nach Wachstum und Produktivitätssteigerung untrennbar verbunden. Mit der Erhöhung der Produktivität wird der Warenumschlag erhöht, der mit einem qualitativen Wertverlust einhergeht. Produkte dürfen nicht langlebig sein, denn sonst würde kein Produktionszwang entstehen, und es gäbe wiederum weniger Arbeit. Dies aber führt zu einem extremen Verschleiß der nichtregenerierbaren Ressourcen und zu einer Bedrohung der regenerierbaren wie z. B. der Wälder und des Wassers. Die meisten Produkte sind nach ihrem schnellen Verbrauch lediglich Müll, und immer weniger davon ist in den Kreislauf von Produktion und Reproduktion wieder einzuordnen. Da die Recyclingprozesse nicht mehr funktionieren, wird der Abfall zu einem Überlebensproblem. Friedensreich Hundertwasser sieht in der Lösung unseres Exkrementenproblems – in unserer »Scheiße«, wie er sich ausdrückt – das Kardinalproblem der Menschheit schlechthin. Man denke an die atomaren Rückstände, deren Abbau jedes menschliche Zeitmaß überschreitet, an die chemischen Waffen, die noch aus dem Ersten Weltkrieg in den damals beteiligten Ländern lagern oder auf dem Ostseemeeresboden als Quecksilber-Zeitbomben liegen, die Abermillionen Tonnen Müll, die wir inzwischen in der Dritten Welt ablagern, oder an jede einzelne Batterie und all die Schwermetalle, die wir in den Boden abgeben, an die Gülle und die Emissionen unserer Autos – kurz: den ganzen »Abrieb« unserer Zivilisation.
Es darf nicht um mehr Wachstum gehen: immer mehr Verbrauch von Ressourcen, mehr Energieumsatz, mehr Verkehr. Was heute so billig wie möglich produziert wird, wird morgen so teuer, |45| dass es nicht mehr bezahlbar ist. Die moderne kapitalistische Markt-Welt-Gesellschaft gefährdet den Kreislauf des Lebens, das ständige »Stirb und Werde« durch eine endgültige Ver-Wertung der Welt, die sie sich zum bloßen Material gemacht hat. Der Mensch hat den Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren. In der Schöpfungsgeschichte steht nichts von Zerstören. Wir sind Teil dieser Erde. Sie ist uns anvertraut. Das betrifft nicht nur Christen zentral. Was Ende April 1989 in Dresden – auf der Ökumenischen Versammlung »Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« – als Maximen christlichen Handelns herausgearbeitet wurde, bleibt für alle gültig. Im Abschnitt »Auf der Suche nach einer neuen Lebensweise der bedrohten Schöpfung« heißt es: »Wenn wir von der Ausbeutung der Natur zur Respektierung ihres Eigenwertes und zum zukunftsorientierten Haushalten kommen wollen, müssen wir sie besser kennenlernen. Nur was wir schätzen gelernt haben, werden wir auch liebevoll bewahren. Deshalb sind wir angewiesen auf lebendigere Beziehung zu unserer Umwelt. Die Erde ist das gemeinsame Haus aller Geschöpfe, das wir erhalten, bewahren und gestalten sollen. … Wir halten es für notwendig, unsere Lebensweise zu überprüfen und ihre Verträglichkeit für die Natur, das Leben anderer Völker, das gesellschaftliche Zusammenleben, das Leben des einzelnen Menschen und der kommenden Generation.« Der wirtschaftliche Erfolg allein darf nicht zählen, wir müssen prüfen, wie er erreicht wurde, wer oder was dafür beiseitegeräumt wurde, und wir müssen die Folgekosten für die Umwelt und die Gesellschaft einrechnen.
Der postmoderne Prometheus mutiert zum computerbegabten Sisyphus. Aber eines Tages könnte der Stein zum letzten Mal rollen. Klaus Töpfer richtete seine Mahnung »Es ist die eine Welt, die zur Debatte steht. Im Kleinen und im Großen« nicht nur an Konservative, alte wie neue Linke, (ehemals) grüne Politiker, Entscheidungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft, sondern an jeden von uns. Nur ein Mensch, der sein Menschsein in Ehrfurcht vor den Lebenskreisläufen zu gestalten sucht, verbaut sich und anderen nicht die Zukunft.
|46| Das Prinzip der Nachhaltigkeit muss in Ökonomie, Ökologie wie Sozialpolitik gelten. Nur lokal und global
nachhaltige
Politik ist verantwortliche Politik. Nur nachhaltiges Wirtschaften ist moralisch. Wir sollten unsere Stimme immer wieder für das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll erheben. Natürlich ist das noch längst kein Rettungsprogramm, sondern eher ein Signal für die richtige Richtung, damit wir nicht in Umweltkatastrophen taumeln und unsere Ökosphäre irreversibel vernichten.
Die Verträglichkeit muss zu einem zentralen
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