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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Konsumenten, z. B. der Unterhaltungsindustrie. |40| Zum gemachten Produkt ist nach den Regeln des Marktes das gemachte Bedürfnis gekommen, es ist den Menschen erst zur wohligen Gewohnheit und dann zur zweiten Natur geworden. Der Waren produzierende und konsumierende Mensch wird selber eine Ware, die »bei Laune zu halten« ist. Nur passiv kann er noch genießen, doch mit der gewonnenen Freizeit nicht mehr umgehen: Der äußerlich reiche Mensch ist in sich arm geworden.
    Was macht aber einen in sich reichen Menschen aus? Luther meint, dass der Mensch zur Arbeit geboren sei wie der Vogel zum Fliegen – diesen Vergleich muss man ernst nehmen. Der Vogel schafft nicht mehr herbei, als er zum Leben wirklich braucht. So hat er Zeit zum Da-Sein. Das Fliegen des Vogels liegt stets zwischen der Absicht von Nahrungssuche, der freien Selbstbewegung in der Schöpfung schlechthin, dem Ausfliegen in ein Revier und der Rückkehr ins Nest, wobei der notwendigen Sorge auch das natürliche Singen entspricht. Der Vogel singt beim Fliegen. Schöpferisch und fröhlich zu sein bei seiner Tätigkeit und nicht erst nach seiner Arbeit oder etwa durch das Produkt seiner Arbeit oder den Gewinn von seiner Arbeit ist der eigentliche Sinn menschlichen Tätigseins.
    Der in sich reiche Mensch bedarf nicht der Arbeit als Erwerbstätigkeit, wenn er die Ideen findet, etwas mit sich, mit der ihn umgebenden Welt und mit den anderen anzufangen, und zwar so, dass er Welt erfährt, erlebt, durchspielt. Dazu gehört es, den Sinn in einer Tätigkeit in der Tätigkeit selbst zu suchen – und zu finden! –, nicht außerhalb ihrer im Geldumsatz oder in anderer Ver-Wertbarkeit. Ein solches Tun ist zwar zweckfrei, aber nicht sinn-los.
    Es muss wohl wieder gelernt werden, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun, aus freien Stücken und in einem Sinnhorizont. Eigenbestimmte Tätigkeit, in der ein Mensch sich erprobt an einer Aufgabe oder an einem Gegenstand oder in einer Gemeinschaft von Menschen, ist erst wirkliche Freiheit. Der in sich reiche Mensch kann die Anschauung für gleich wichtig halten wie die Veränderung, die Kontemplation in gleichem Maße wie die Produktion schätzen, ihm bedeutet das Verstehen der Vorgänge |41| mehr als das Beherrschen der Dinge, er setzt dem ästhetischen Erlebnis das kulinarische nicht nur gleich, und er kann, in einer bestimmten Absichtslosigkeit, in einer Beschaulichkeit das Sein bereichernd erfahren.
    Das im Alltäglichen zu üben und sich zu einem in sich reichen Menschen zu entwickeln – dies ist die Arbeit, die jeder an sich selbst leisten kann, um durch das Ende der Arbeitsgesellschaft keinen seelischen Schaden zu erleiden. Gleichzeitig müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Gesellschaft in sich reicher Menschen ermöglichen.
    1. Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass das Recht auf Arbeit eine der zentralsten Forderungen der Emanzipation ist. Dem Recht auf Arbeit muss künftig ein Recht auf Faulheit hinzugefügt werden, nicht zuletzt um die zu schützen, die geradezu arbeitssüchtig geworden sind und dabei nicht merken, wie sie anderen, die auch arbeiten wollen, faktisch die Möglichkeit dazu nehmen. Deshalb haben die glücklichen Besitzer von Arbeit daran mitzuwirken, dass der Mehrheit der Menschen das Bedürfnis zu arbeiten nicht weiter vorenthalten wird. Viele menschliche Tätigkeiten, die bisher minder geachtet wurden, müssen als Arbeit anerkannt werden. Denn Arbeit bleibt ein bevorzugtes Feld menschlicher Identitätsfindung und gesellschaftlicher Wertschätzung. Doch nicht alle Arbeit ist Erwerbsarbeit.
    »Arbeit für alle« wird sich als eine falsche Verheißung erweisen, doch »Faulheit für alle« darf keine Drohung derjenigen sein, die als Workaholics die Herrschaft über die zur Verfügung stehende Arbeit angetreten haben. Der in sich reiche Mensch kann nämlich auch die Freiheit von Arbeit genießen und Sinn und Erfüllung in Tätigkeiten finden, die nicht zur traditionellen Erwerbsarbeit gehören. Er weiß, dass es Arbeit bedeutet, sich am Leben zu erhalten, einander zum Leben zu helfen und mit der Vergänglichkeit fertig zu werden. Auch die Arbeit an sich selbst in eine Arbeit.
    2. Die Annahme, der Mensch würde freier, wenn er ohne Zwang leben könnte, ist falsch. Er braucht bestimmte äußere Zwänge, um Freiheit zu erleben. Er braucht Zeitreglement, um Freizeit genießen zu können, und er braucht Zwangsgemeinschaft, um freie |42| Gemeinschaften zu bilden. Er braucht

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