Lass Es Gut Sein
Rechtsetzungen, um zu wissen, was Gerechtigkeit ist. Der ganz freie Mensch ist der ganz verlorene, sich selbst überlassene Mensch. Fehlende Orientierung führt neben prinzipiell freier Selbstbestimmung leicht zu Beliebigkeit, Manipulierbarkeit und Regression in fundamentalistische Scheinsicherheit. Daraus folgt: Wenn der Arbeitsgesellschaft die traditionelle Erwerbsarbeit ausgeht, müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen lernen, sinnvoll mit der freiwerdenden Zeit, mit sich, miteinander und mit der sie umgebenden Natur umzugehen.
Arbeit im menschlichen Miteinander wird als Humanisierung erfahren. Insofern kann Tätigkeit als Dienstleistung aneinander Entfesselung der Arbeit von ihren Zwängen bedeuten. Die Forderung nach Humanisierung der Arbeit ist keine leere ethische Floskel. Arbeit erfüllt sich in einer Subsistenzmittel schaffenden Tätigkeit, einer gelingenden Interaktion, einer sich selbsterschaffenden wie Werte schaffenden Betätigung. In einer solcherart humanisierten Dienstleistungsgesellschaft könnten Bildung, Kultur, Sport, Kunst, Kreativität die frei werdenden Lebensräume ausfüllen und nicht Medien und Freizeitangebote, die passiv machen.
3. Die Krise der Arbeitsgesellschaft gibt uns die Chance, die Weichen für den Weg, den wir persönlich, in Deutschland und global beschreiten wollen, neu zu stellen. Wollen wir uns weiter der Moral des Marktes unterwerfen, dem reinen Profitstreben und der Effizienzsteigerung, bis wir innerlich so weit verarmen, dass für uns alles nur noch Waren-Wert hat? Oder wollen wir auf einen Paradigmenwechsel hinarbeiten – von der Erwerbsarbeitsgesellschaft hin zu einer pluralen Tätigkeitsgesellschaft, in der den Menschen durch die immer geringer werdende Erwerbsarbeit nicht alle Perspektive auf ein einkömmliches und erfülltes Leben verbaut, sondern gerade die Möglichkeit eröffnet wird, durch selbstgewählte befriedigende und sinnstiftende Tätigkeiten miteinander innerlich immer reicher zu werden.
Mit der Frage, wie wir in Deutschland dem Problem der Massenarbeitslosigkeit begegnen, mit der Frage, ob die Werte Freiheit |43| und Gerechtigkeit für alle unteilbar bleiben oder ob die Trennlinie zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen die Spaltung zwischen Arm und Reich immer weiter vertieft, steht unser demokratisches Gesellschaftsprojekt zur Debatte. Es muss das Projekt der Gesamtgesellschaft, also der Summe aller Menschen, bleiben. Durch den Wiedergewinn von Muße als Gewinn von Intensität, Kreativität, Beschaulichkeit und Welterleben kann sich das Dasein des Menschen außerhalb der Zwänge der Erwerbsarbeit in sich selbst erfüllen – mit Tätigkeit, mit Brot, mit Sinn. Wenn der Mensch den entfesselten Markt nicht reguliert, geht er zugrunde, mitsamt seiner Welt. In dieser Richtungsänderung stecken natürlich Anforderungen an jeden, die Welt nicht so zu lassen, wie sie ist – damit sie bleibt.
Durch freies Wachstum in die Wüste
Die Humanisierung der Arbeit ist nicht der einzige Paradigmenwechsel, für den wir uns einsetzen müssen, wenn wir das heute laufende »globale Selbstmordprogramm« (Klaus Töpfer) stoppen wollen. Nicht der Mensch allein leidet unter dem Terror der Gewinnmaximierungsideologie, die nur etwa einem Zehntel der Weltbevölkerung materiellen Wohlstand gebracht hat. Die gesamte Schöpfung seufzt und stöhnt unter der Aus-Beutung, unter dem irreversiblen Ver-Brauch von Welt. Bleibt der kurzfristige Profit das einzige Kriterium menschlichen Handelns, erwarten uns Katastrophen, gegen die biblische Heuschreckenplagen gar nichts sind. Ein globaler Kampf um Wasser- und Ölressourcen ist im Gange. Die Lungen der Welt werden abgeholzt. Die Wüsten wachsen. Der Klimawandel verursacht derart dramatische Naturkatastrophen, dass das Wort Klimawandel eine Verharmlosung darstellt.
Maximilian Gege, Vorsitzender des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management, der größten Umweltinitiative der Wirtschaft in Europa, wies im Gespräch mit Franz Alt auf die großen moralischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen hin, vor denen wir |44| stehen: »die Frage von Krieg und Frieden, Armut und Reichtum, Wachstum und nachhaltigem Wohlstand für alle Menschen. Zwei Milliarden Menschen ohne Strom, vier Milliarden Menschen in lebensunwürdigen Umständen, zunehmender Reichtum bei den auf der ›Sonnenseite‹ Lebenden – und eine dramatische Klimaverschärfung sowie eine stark steigende Weltbevölkerung, das kann nicht
Weitere Kostenlose Bücher