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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Bomber nicht die Industrie anvisiert, das Ziel war die Stadt, deren Funktionsfähigkeit ausgelöscht werden sollte. Die Bombardierung war moralisch verwerflich – aber ich bezweifle, dass sie völlig ungerechtfertigt war.«
    Churchill wollte im März 1945 die Bombardements einstellen, aber, so Taylor, »die Militärs wollten nicht. Das widersprach ihrer Logik. Sie wollten auf die Möglichkeiten des Flächenbombardements nicht verzichten.« Der Krieg erzeugt und vollstreckt stets seine eigene schreckliche Logik.
     
    Wir werden von einer Verantwortung der Deutschen sprechen müssen, die mit dem Namen »deutsch« und auch mit unserer wunderbaren Sprache auf immer verbunden bleibt.
    Es gibt bestimmte Worte und Wortkombinationen, die sich ins Bewusstsein eingeprägt haben und die wir aktiv bekämpfen müssen. Zum Beispiel »Führer befiehl, wir folgen.« Was war das für eine Lebenshaltung? Auch dafür gilt: »Nie wieder!«
    Unsere Nachbarn und die Völker der Welt bitten wir, sich dem zu stellen, was in ihrer Geschichte versäumt oder auch verbrochen wurde – freilich ohne jeden Aufrechnungsgedanken.
    Vorurteile sind wieder weckbar. Immer wieder lassen sich alte Antistimmungen reaktivieren. Daher müssen wir die Gründe |185| auch für fortwährenden Antisemitismus erforschen. Als Einzelne wie als Nation bleiben wir gefordert, stets vor uns selbst auf der Hut zu sein und zu bleiben. Die Geschichte ist unsere Lehrmeisterin – im Guten wie im Bösen.
    Wir Europäer können uns glücklich schätzen, dass wir jetzt in der Europäischen Gemeinschaft miteinander leben und keiner irgendeinen Kriegsgedanken hat. Aber wenn
BILD
titelt »Wir sind Papst«, dann reagiert
SUN
mit der Schlagzeile »Er war Hitlerjunge«. Und am nächsten Tag titelt
BILD
»Wir auch« und nennt die Namen prominenter ehemaliger Hitlerjungen. Das klingt dann wie Stolz, wie etwas, das auch nachträglich als »normal« gelten kann.
    Susan Sontag, die große amerikanische Intellektuelle, Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2003, mahnte: »Menschen sind imstande, dies hier anderen anzutun – vielleicht sogar freiwillig, begeistert, selbstgerecht. Vergessen wir das nicht.« Was nicht zu begreifen ist, bezeichnet Susan Sontag einfach mit der Formulierung »dies hier«. Uns ist es nach wie vor unmöglich, angemessen an Auschwitz zu erinnern. Da lauert stets
falsche Feierlichkeit
. Es bleibt unbegreiflich.
    Zugleich darf jetzigen und künftigen Generationen nicht wieder eine Schuld aufgeladen werden, als ob alle Deutschen für alle Zeit etwas »wiedergutzumachen« hätten. Das bekäme Züge einer Dauerbüßerpose, die Rattenfänger sobald publikumswirksam als«Nationalmasochismus« etikettieren können.
    Jeder Krieg entfaltet seine eigene
destruktive Logik
. Kein Beteiligter kann da unschuldig bleiben. Die Logik von Vernichtung und Zerstörung erfasst auch die, die zunächst Opfer von Verbrechen waren. Die Parole »Nie wieder Krieg« ist daher keine hohle Phrase. Wir Deutschen sollten immer besondere Anstrengungen unternehmen, um Frieden zu bewahren und Bedingungen für Frieden zu schaffen – in nationaler und internationaler Perspektive.
    Kein Land soll vor uns jemals wieder Angst haben müssen. Ingeborg Bachmann mahnte uns zur »Tapferkeit vor dem Freund«. (Dies hatte sich auch gegenüber unseren amerikanischen Freunden und dem Irak-Desaster zu erweisen.)
    |186| Die Haut unserer Zivilisation ist dünn. Deshalb müssen wir alle auf der Hut sein, dass wir uns nicht wieder an Abgründe bringen oder andere in Abgründe stürzen.
    Demokratie lebt, so lange es Demokraten gibt, die unser Grundgesetz ausfüllen. Demokratie braucht Teilnahme und Teilhabe aller auf der Grundlage von Artikel 1 unseres Grundgesetzes – gegen alles Autoritäre wie gegen alles Nationalistische.
    Respekt gegenüber anderen Kulturen
    Sieben Thesen zum Dialog hatte Pfarrer Gottfried Keller am 31. Oktober 1989 an die Rathaus-Tür in der Lutherstadt Wittenberg geheftet:
Im Dialog wird der Gegner nicht als Feind, sondern als andersdenkender Partner angenommen.
Im Dialog wird keine Machtfrage entschieden, sondern die Beziehungen der Dialogpartner werden neu geklärt.
Ziel des Dialogs ist nicht, seine Meinung zum Sieg zu bringen, sondern zu einer gemeinsam akzeptierten neuen Lösung zu kommen, bei der es weder Sieger noch Verlierer gibt.
Dialog ist der Verzicht auf Gewaltanwendung, der Verzicht auf Warnungen, Drohungen und Abschreckungen, um so die Menschenwürde des anderen zu

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