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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Gedankengut, statt die politische Kultur in einem demokratischen Sinn zu beeinflussen.
    Der scharfzüngige Pastorensohn Gotthold Ephraim Lessing hat ebenso wie sein jüdischer Freund Moses Mendelssohn den Toleranzgedanken gerade
nicht
auf eine so rührende wie unrealistische moralische Maxime reduziert, sondern auf den beständigen »Erweis des Geistes und der Kraft« der eigenen Ideen gesetzt. Ideen begegnen den Ideen anderer. Die Wahrheit der eigenen Überzeugung muss sich aus sich selbst heraus bewähren; sie mit subtiler oder grober Missachtung und durch Liquidation anderer durchzusetzen ist inhuman. Aber die Kraft, der je eigenen Grundüberzeugung, jener »unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nachzueifern«, erfordert nicht nur,
Weisheit
,
Interesse
,
Vernunft
,
Einfühlung
und
Selbstüberschreitung
zusammenzubringen, sondern erfordert Alternativen, die inneren Frieden in einer praktizierten Demokratie ermöglichen. Erst dann lässt sich das bislang herrschende Prinzip »Wer wen?« durch das neue Prinzip »Leben und leben lassen!« ersetzen.

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    |198| WERTE finden, SINN entdecken, MUT finden
    Was mir etwas wert ist
    Durch Fernsehen erblindete Menschen starren tagtäglich gespannt auf die
Börsenwerte
, die als Dauerzeile laufen und neben Katastrophen, Sport und Wetter das Wichtigste zu sein scheinen. Zugleich fragen viele wieder nach den
Werten
, die sich nicht in Geld ausdrücken lassen und die das Humanum ausmachen – eine (Mit-)Menschlichkeit, die wir nicht nur geben, sondern auch erfahren wollen.
    Ein Wert ist nicht zuerst etwas moralisch Gefordertes, sondern etwas, das das Leben lebenswert, also reich, tief und sinnvoll macht. Vornean steht für mich die
Aufmerksamkeit
– bis sich in uns die egoistischen und die altruistischen Antriebe die Waage halten.
    Wenn man sechs Geschwister hat, dann lernt man – besonders in kargen Zeiten –, was
Geschwisterlichkeit
heißt. In Notsituationen habe ich erfahren, wie wichtig sie ist, wie gut sie ist und wie gut sie tut, wenn man sie ausübt oder empfängt. (Später erweiterte sich das, was man Barmherzigkeit und Solidarität nennt.)
    Bei uns zu Hause fing kein gemeinsames Essen ohne ein Dankgebet an. Heinrich Heine hat dies zu Unrecht als »Mastgebet des Egoismus« gegeißelt.
    Ich habe von Kindheit an mitbekommen, was
Dankbarkeit
heißt. Sie hat mich reich gemacht und mich von unzufriedenstimmendem Anspruchsdenken freigehalten.
    Denn nichts ist selbstverständlich. Alles ist zerbrechlich, alles braucht
Fürsorge
: die Natur und unsere Beziehungen, die Nahrung und die Gesundheit. Oft zeigt erst der Verlust, was sie bedeuten.
    Nichts ist selbstverständlich. Nichts ist sicher. Aber es gibt
Verlässlichkeit
. Ich habe immer Menschen gefunden, auf die ich |199| rechnen konnte und die auf mich rechnen können. Dazu gehört unabdingbar die
Freundlichkeit
, die Brecht zu den Vergnügungen des Lebens zählt. Ich habe sie als Kind erfahren durch einen Postboten, durch einen Kuhhirten und durch eine Bauersfrau.
    Ersterer teilte mit mir, so oft er mich traf, seine saftige Birne, der andere sein Leberwurstbrot, und die Bauersfrau Plaue schöpfte immer etwas mehr Milch in das Kännchen, das ich täglich für meine zahlreichen Geschwister bei ihr geholt habe.
    Später lernte ich die herzerwärmende Freundlichkeit eines Lew Kopelew, das lächelnde Zugewandsein eines Hans Treu oder die aufmerksame Fröhlichkeit in den Augen der 90-jährigen Hilde Domin kennen.
    Werte bilden und verändern sich durch Lebenserfahrung. Ich musste Enttäuschungen durchstehen und habe andere enttäuscht. Geblieben aber ist mir ein großer
Respekt
vor Menschen und ihrer Lebensleistung, zusammen mit der Achtung vor dem Lebensgeheimnis, das in jedem steckt und ihn reich macht.
    Natürlich halte ich auch viel von Pflicht, Ordnung, Pünktlichkeit. Mich ärgern Unzuverlässigkeit, Unordnung und Grobheit gegen alles Lebendige, vor allem gegen Schwächere. Was ich im Leben hochhalte, ist genau das, was mich hält, was täglich Atem gibt und trotz allem Mut macht zum Leben:
Staunen
und
Dankbarkeit
, aus der heraus
Mitgefühl
und Kraft wächst,
Verantwortung
zu übernehmen.
    »Sisyphus ist ein glücklicher Mensch«, meint Camus.
    Was ich weitergeben will? Hör nicht auf zu staunen und dich zu wundern. Und handle stets in
» Ehrfurcht
vor dem Leben«.
    Den Rhythmus des Lebens wiederentdecken
    Unser Leben vollzieht sich als etwas Einmaliges – von der Geburt bis zum Tod –, aber es ist »gefasst«

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