Lass los was dich festhaelt
aufgegeben, was scheinbar allgemein gar nicht registriert wurde: die Versicherung, mit unseren Händen wehrhaft sein zu können. Nein, ich spreche nicht von Zuschlagen, sondern von einer Befähigung, die nur über das Zusammenspiel von Hirn- und Handarbeit zustande kommt, nämlich Zeitabläufe und Materie analog wahrzunehmen und damit beruhigend auf das Nervensystem einzuwirken. Wenn Sie jetzt nicht verstehen, was ich meine, dann gehen Sie doch einmal auf einen Bauernhof, in eine Gärtnerei oder/und zu einem Porzellanmaler oder einem Restaurator.
Und es müssten allesamt Betriebe sein, in denen es keine Massenerzeugung gibt.
Sie werden dort Menschen finden, die gut »bei’nander«, also nervlich stabil, bodenständig und von ebensolchen Mitarbeitern und Lebensgefährten umgeben sind.
»Es ist süß , zu einem Brunnen zu gehen, wenn man durstig ist«, sagt der kleine Prinz, und was er meint, ist: Wenn ich etwas bewusst tue, gewinnt es an Wert und an Bedeutung für mich. Das hilft »gut bei’nander« zu sein. Und macht es auch leichter, gut »miteinander« umzugehen, weil die ungetrübte Wahrnehmung eines anderen Menschen, seine Realität, sein Wollen und Streben nur von einem stabilen Nervensystem erspürt werden kann. Damit ist klar, welches das Empfangsorgan ist. Doch wo liegt der Sender? Und warum geschieht es immer und immer wieder, dass wir Wegbegleiter anziehen, an denen wir schmerzhaft hängen, obwohl wir wissen, dass sie uns schaden? Was ist das für ein scheinbar unkontrollierbares System, das fähig ist, Signale auszusenden, um damit adäquate Partner »anzulocken«?
Die gesamte Menschheit ist auf der Suche »nach dem Freund, nach dem das Herz am Morgen schon verlangt und um den es in der Nacht bange ist«.
Diese Worte spricht der greise Hauptdarsteller in Ingmar Bergmans Meisterwerk Wilde Erdbeeren und sie drücken vollendet aus, nach welchen Gefühlen wir suchen, also nach welcher emotionalen Bindung wir uns sehnen. Doch wem gelingt es, eine sogenannte glückliche Verbindung herzustellen und zu halten?
Wir haben doch alle ziemlich genaue Vorstellungen, wie so eine Herzensbindung aussehen und sich anfühlen soll. Und trotzdem widerfährt einem riesigen Prozentsatz von Suchenden das, was der Liedermacher Herman van Veen als »Griff ins
Klo« bezeichnet. Ja, das ist eben Schicksal, nicht wahr, oder gar Karma. Und dagegen kann man nichts tun! Oder?
Bitte, eliminieren! Und zwar beide vorhergehenden Behauptungen, denn sie sind, wie vieles auf dieser bipolar konstruierten Welt, nur die eine Hälfte, sozusagen das Nordzimmer im großen Gebäude der Realität, in dem nicht geschrieben steht, dass Sie es als Dauermieter bewohnen müssen. Denn hinter diesem Marionettentheater der Paarungen stecken unsere Gene, und zwar (leider) die latent rezessiven, die es nicht geschafft haben, durch Dominanz abgesichert und präsentiert zu sein und nun in der »Außenwelt« einen genetischen Mitstreiter suchen, über oder mit dem zusammen sie in Aktion treten, und sei es über das Zeugen von Nachkommen.
In der (nicht nur) amourösen Realität sieht das dann so aus, dass der hochorganisierte, pünktliche und ordentliche Manager auf die weiß Gott chaotischste unzuverlässigste und erfolgsverschonteste Odaliske im ganzen Umkreis hereinfällt, während die disziplinierte und gepflegte Kauffrau dem charmanten, aber leider alkoholabhängigen und spielsüchtigen Künstler auf den Leim geht. Schuld daran sind, wie gesagt, diese latent rezessiven Biester, die sich scheinbar unkontrollierbar um eine Zwischenmenschlichkeit bemühen, die sich ziemlich schnell als dauerbelastendes Dramolett herausstellt.
Gene erscheinen in unserem System paarweise, und wenn sich in diesem Verbund ein gendominantes, also beherrschendes Allel auszeichnet, sitzt das andere Gen praktisch auf der Wartebank, bis - ja eben, bis es in der Welt außerhalb dieses Körpers, dem es angehört, ein entsprechendes Gen in einem anderen Körper ortet. Dann reagieren beide heftig aufeinander, was bei beiden Menschen Sympathie, Verbundenheit oder sogar Liebe auslöst. Vom Wissen der Humangenetik Verschonte sprechen dann vom »Spiegel«, den wir im Partner finden,
oder von der Entsprechung oder vom passenden Deckel für den Topf.
Erschreckt und ahnungsvoll reagiert die zauberkräftige Königstochter Medea in Grillparzers Das goldene Vlies auf diesen Vorgang, denn sie erkennt, dass sie gegen diese treibende innere Kraft machtlos ist, die sie förmlich in die Arme
Weitere Kostenlose Bücher