Lass mich in Dein Herz
weitergehen soll?«
»Ich weiß es nicht«, gab Andrea zu.
»Was soll das heißen? Ich weiß es nicht! « Gina fühlte sich immer noch ganz benommen von der intensiven Leidenschaft, die sie eben überrollt hatte. Und nun wollte Andrea so tun, als wäre nichts geschehen! Zum zweiten Mal. Anscheinend schien Andrea nicht zu merken, was sie damit in ihr auslöste. Oder wollte es nicht merken. Ginas Enttäuschung schlug um in Wut. Erbost fragte sie: »Ich weiß es nicht, weil ich mich nicht zwischen Frauen und Männern entscheiden kann? Ich weiß es nicht, weil ich eigentlich nur eben mal Lust auf Sex hatte, ohne mir dabei etwas zu denken? Oder ich weiß es nicht, weil ich grundsätzlich nicht weiß, was ich will?«
»Gina, bitte! Du dramatisierst.« Andrea wirkte irritiert.
»So, tue ich das? Ich dramatisiere? Es ist dir unangenehm, meine Frage zu beantworten. Oder gar lästig?« Ginas Miene wurde mit einem Mal sehr entschlossen. »Nun, dem ist ja ganz einfach abzuhelfen. Wir beenden die Sache kurzerhand. Hier und jetzt. Ich habe nicht vor, mich auf die Rolle nehmen zu lassen. Such dir eine Dümmere, mit deren Gefühlen du spielen kannst. Das Training setzt du wohl besser woanders fort.«
»Gina, hör doch mal!«
»Nein. Ich will nichts hören.« Gina, die immer noch nackt vor Andrea stand, drehte sich um und riss ärgerlich die Tür ihres Umkleideschrankes auf. Als wäre ihr T-Shirt Schuld an allem, nahm sie es in zorniger Bewegung heraus und zog es fluchend an. Dann drehte sie sich um. Nicht mehr zornig, einfach nur müde.
Andrea erschrak über die Resignation in Ginas Blick.
»Wie oft willst du das noch machen, Andrea? Du tust mir weh damit. Merkst du das denn nicht?«
Andrea wollte etwas erwidern, doch Gina wandte sich von ihr ab. »Geh!« sagte sie. »Geh bitte und lass mich in Zukunft einfach in Ruhe.«
Von der Fahrt nach Hause bekam Andrea kaum etwas mit, obwohl sie es war, die fuhr. Sie reagierte auf alle Anforderungen des Straßenverkehrs, stand – oder besser: saß – ansonsten aber völlig neben sich. Ihre Gedanken waren im Umkleideraum bei Gina, ihrer heißen Haut, ihren Seufzern, die in ein keuchendes Ein- und Ausatmen übergingen, dem Anfühlen ihres Orgasmus.
Warum zum Teufel hast du das getan, Andrea? Bist du neuerdings hormongesteuert? War die Sache vorher nicht schon verworren genug?
Andrea seufzte. Nun ja, jetzt war sie es nicht mehr. Im Gegenteil. Alles war kristallklar. Gina wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Das eben war der klassische Rausschmiss, Andrea! Du brauchst dir keine Sorgen mehr darüber zu machen, warum dich Ginas Gegenwart so unruhig macht. Warum sie in deinem Kopf herumspukt, wenn doch gar kein Grund dafür besteht. Jetzt ist alles so, wie du es haben wolltest. Beim alten.
Nur, warum fühlte sie sich dann so mies?
7.
E igentlich war es längst Zeit, nach Hause zu gehen. Doch Andrea konnte sich nicht so recht dazu entschließen. Nach Valentins Chat-Streich erwartete sie dort heute sicher eine Flut von abartigen Anrufen. Vielleicht lungerte auch schon der eine oder andere »eifrige Sklave« vor ihrer Haustür herum. Immerhin konnte man mittels Telefonnummer und E-Mail-Adresse heutzutage spielend die zugehörige Wohnadresse herausfinden.
Andrea aß das letzte Stück der mittlerweile kalten Pizza, die sie sich vor zwei Stunden bestellt hatte, und vertiefte sich wieder in die Akten. Sie schaute erstaunt hoch zur Uhr, als das Läuten des Telefons die Stille zerriss. Eine halbe Stunde vor Mitternacht. Wer rief jetzt noch im Büro an? »Jordan«, meldete sie sich.
»Naaaaa? Willst du denn gar nicht nach Hause gehen?« Die Stimme kicherte.
Andrea stockte der Atem. Valentin! Sie kannte seine Stimme gut genug, um sicher zu sein, dass er es war. Und er wusste, dass sie hier war! Schlagartig wurde Andrea bewusst, dass sie völlig allein im Gebäude war, mit Ausnahme des Nachtwächters.
»Ich bin nah bei dir. Näher, als du vielleicht denkst.« Valentins Stimme war sehr leise. Das verlieh der Bedrohung in ihr zusätzlichen Nachdruck. »Hör genau hin. Kannst du die Schritte auf dem Flur hören?«
Andrea warf den Hörer in Panik auf die Tischplatte, rannte zur Tür und riss sie auf. Der Gang war dunkel. Sie konnte nur Schemen wahrnehmen. Aber sie hörte tatsächlich Schritte. Nicht sehr laut, aber unverkennbar. Du hast einen Fehler gemacht, Andrea! Du hättest niemals allein im Büro bleiben dürfen. Warum war sie nicht früher darauf gekommen? Sie hatte sich zwar den
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