Lass mich in Dein Herz
also diese Enttäuschung im Bauch? Sie räusperte die aufsteigenden Tränen weg.
Andrea entging Ginas Reaktion nicht. »Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Aber bis eben dachte ich, dass es nicht so wichtig wäre. Du bist so – so locker mit allem umgegangen.«
»Was hätte ich sonst tun sollen?« Gina zuckte mit den Schultern. »Du warst schon halb aus dem Büro. Die einzige Chance, dich nicht gleich wieder zu verlieren, war, dich nicht zu halten.«
»Das war der Grund?« Andrea schien erstaunt.
»Ja«, gestand Gina. Doch in diesem Moment fragte sie sich, was sie sich eigentlich davon versprochen hatte.
»Das konnte ich nicht wissen.« Andrea senkte den Blick. Wirklich nicht? Du hast es doch nur verdrängt, weil du es nicht wissen wolltest!
»Mach dir keine Gedanken. Das ist ausschließlich mein Problem.« Gina lächelte gezwungen. »Um auf dein Problem zurückzukommen: Hast du jemanden, der dich abholen kann?«
»Vielleicht«, meinte Andrea unsicher. Aber ich weiß nicht, ob ich fragen soll. Und jetzt erst recht nicht. Denn eigentlich wollte sie Gina fragen. Es wäre logisch gewesen. Gina schreckte einen eventuellen Angreifer nicht nur durch ihre bloße Anwesenheit ab, sondern konnte, wenn es notwendig wurde, auch effektiv eingreifen. Aber konnte sie Gina jetzt noch darum bitten?
»Nun, eine Frau wie du braucht wohl keine Angst vor einer Absage zu haben. Dein zukünftiger Beschützer wird sich geehrt fühlen«, sagte Gina betont salopp. »Wollen wir dann weitermachen? Als nächstes stehen ein paar Entspannungsübungen auf dem Plan. Setz dich bitte in den Schneidersitz, beuge deinen Körper –«
»Könntest du nicht . . . ich meine, ich komme ja nach der Arbeit sowieso zum Training her. Und anschließend, wenn es dir nicht zu große Umstände macht . . .?« hörte Andrea sich mitten in Ginas Erläuterungen hinein fragen. Ihre Stimme klang bittend.
Gina blickte überrascht auf. »Äh . . . ich?« Sie fühlte sich völlig überrumpelt von Andreas Anliegen. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn. Diese Frau ist unglaublich! Eben noch macht sie dir klar, dass du nur eine Affäre für sie bist – ach, nicht einmal das! –, und nun bittet sie dich um eine Sache, die man nicht gerade in die Schublade »kleiner Freundschaftsdienst« einordnen kann.
»Es muss dir vorkommen, als würde ich dich ausnutzen«, seufzte Andrea.
»Aber nur, wenn ich ja sage«, lächelte Gina schief. »Und eigentlich lasse ich mich ungern ausnutzen.«
Andrea nickte. »Das kann ich verstehen. Entschuldige. Ich hätte nicht fragen dürfen.«
Gina schüttelte den Kopf. »Ich muss verrückt sein.«
Andrea lächelte. »Heißt das, du sagst ja?«
»Ja. Aber ich werde gleich morgen zu meiner Therapeutin gehen. Noch mal schaffst du das nicht«, quetschte Gina zerknirscht hervor.
Sie beendeten das Training nach einer weiteren halben Stunde. »Ich gehe duschen. Wir treffen uns im Foyer«, sagte Gina im Hinausgehen.
»In Ordnung. Und danke noch mal!« rief Andrea ihr nach, doch Gina war schon weg.
~*~*~*~
G ott sei Dank gibt es einen separaten Umkleide- und Duschraum für die Trainerinnen , dachte Gina, als sie die Tür hinter sich zuzog. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie es hätte zuwege bringen sollen, mit Andrea in ein und demselben Raum zu duschen. Während der Trainingsstunden war Gina immer bestrebt, soviel Abstand wie möglich zwischen ihnen beiden zu halten. Doch ließ es sich nicht vermeiden, dass sie Andrea berührte, wenn sie deren Körperhaltung oder den Ablauf der Bewegungen korrigierte. Während ihrer Erklärungen sah sie in Andreas aufmerksames Gesicht. Die war ganz bei der Sache.
Gina schloss die Augen und ließ das Wasser in ihr Gesicht prasseln. Du hättest sie gleich am ersten Tag an Christiane verweisen müssen! schimpfte sie mit sich. Ohne wenn und aber. Was soll das Ganze? Seit wann bist du Masochistin? Andrea ist nicht an dir interessiert! An diesen Gedanken solltest du dich schnellstmöglich gewöhnen. Gut, sie ist nicht verheiratet. Trotzdem bist du nur eine nette Abwechslung für sie gewesen. Wer weiß. Vielleicht nicht einmal die einzige. Und nun hilfst du ihr lediglich bei der Lösung eines Problems. Mehr nicht!
»Bist du gleich fertig?« hörte sie plötzlich Andreas Stimme aus dem kleinen Umkleideraum fragen.
»Ähm, ja!« rief Gina verwirrt.
Die Tür klappte zu.
Gina drehte das Wasser ab, trocknete sich flüchtig ab und ging zu ihrem Kleiderspind. Als sie um
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