Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
das Ganze überlasse, was sage ich dann zu dem ehemaligen Günstling deines Vaters? Das funktioniert so nicht. Jetzt läuft es, wie es läuft. Es ist eine Maschinerie, die reibungslos ineinandergreift.«
    Natalie drehte den Kopf. Schaute JW direkt in die Augen. Hatte er es nicht kapiert? Es war schließlich sein Kopf, der rollen würde, wenn er sich nicht an das hielt, was sie sagte.
     
    Am nächsten Tag. Natalie saß in ihrem Golf. Auf dem Weg in Richtung Süden. Sie war diejenige, die fuhr – ein etwas bizarres Feeling: neben ihr – zusammengefaltet, um hineinzupassen – saß Goran. Er hatte darauf bestanden, als sie ihn am Gullmarsplan abgeholt hatte. »Du fährst. Es ist schließlich dein Wagen, Boss.«
    Die gleiche Kleidung wie immer: Trainingsanzug und Sneakers. Heute allerdings mit aufgekrempelten Ärmeln. Seine muskulösen Unterarme entlarvten ihn: hellgrüne Tätowierungen – der Doppeladler und das Staatswappen der Serbischen Republik Krajina. Natalie liebte diese Arme – sie hatten sie dort unten im Parkhaus unter dem Globen festgehalten. Als ihr Vater angeschossen worden war.
    Sie bogen nach Huddinge ab. Es war nicht viel Verkehr. Mitten am Tag, noch vor der Rushhour. Die Frau, die sie aufsuchen würden, dürfte um diese Zeit zu Hause sein. Sie dürfte Dinge wissen, die wichtig waren.
    Der Golf war angenehm zu fahren. Nicht so wie Viktors protzige Verkaufsobjekte, die sie sich manchmal auslieh, und bei denen ein kurzer Flirt der Zehen mit dem Gaspedal den Motor explodieren ließ wie einen isländischen Vulkan. Dennoch war der Golf kraftvoll. Leistungsfähig.
    Sie und Goran schwiegen. Natalie konzentrierte sich auf die Straße. Der GPS teilte ihr mit, wo sie langfahren musste.
    Goran sagte: »Natalie, du fährst gut.«
    »Danke. Du weißt ja, wer mein Fahrlehrer war, oder?«
    »Ich weiß. Er.
Izdajnik

    »Ja, er. Der Verräter.«
    »Dein Vater war übrigens auch ein guter Autofahrer.«
    »Vielleicht besaß er deswegen viel zu viele Autos.«
    Goran smilte. Natalie lächelte. Es war das erste Mal, dass sie einen Witz über ihren Vater machte, seit er ermordet worden war.
    Sie schwiegen ein paar Minuten.
    Dann sagte Goran: »Du hast Humor. Genau wie dein Vater. Und du kannst mit Menschen umgehen. Auch genau wie dein Vater. Ich erinnere mich noch daran, als er mich in seiner Türsteherfirma anstellen wollte. Weißt du, was er gemacht hat?«
    »Nein.«
    »Er hat eine Dose mit Kautabak und eine Schachtel Zigaretten vor mir auf den Tisch gelegt, ohne zu sagen, warum. Dann begann das Gespräch. Ich saß die ganze Zeit über mit den Händen im Schoß da. Denn ich kannte seine Kniffe, ich kannte ihn ja schon vorher. Wer an der Dose oder an der Schachtel herumfingerte, bekam den Job nicht. Dein Vater testete die Leute auf diese Weise.«
    »Und warum?«
    »In den Bars in Belgrad sitzen sie den ganzen Tag und rauchen und fummeln an ihren Zigarettenschachteln herum. Arbeitslose, Hartz- IV -Leute, faule Säcke. Dein Vater wollte solche Leute nicht anstellen. Er wollte aufmerksame Menschen um sich herum haben.«
    Natalie wandte sich ihm zu.
    »Goran, ich bin froh, dass ich dich habe. Ich weiß nicht, was ich ohne dich angefangen hätte. Von mir aus kannst du so viel an Kautabakdosen herumfingern, wie du willst.«
    Schließlich erreichten sie das Villenviertel. Kleine flache Häuser. Im Schnitt halb so groß wie zu Hause in Näsbypark. Hier war der Süden Stockholms – allein schon die Tatsache, dass es hier Villengebiete gab, war unlogisch. Sie hatte gedacht, dass hier nur Mehrfamilienhäuser stünden.
    Sie fuhren durch die Straßen des Villenviertels. Vorbei an geparkten Volvos, Saabs und japanischen Familienkutschen. Ein anderer Fuhrpark als in Näsbypark. Natürlich außer den Volvos, denn die gab es überall in diesem Land – auch wenn dort, wo sie herkam, hauptsächlich SUV -Versionen und S60er zu sehen waren. Natalie dachte, dass manche Schweden ziemlich dämlich waren – sie liebten Volvos wie das Königshaus, obwohl die Automarke bestimmt schon seit zehn Jahren überhaupt nichts mehr mit Schweden zu tun hatte.
    Dann musste sie an den grünen Volvo denken, den Thomas auf dem Überwachungsfilm bei ihnen zu Hause erkannt hatte. Allerdings war die Kamera völlig falsch eingestellt: Der Bereich oberhalb der Hecke und die Straße hinter der Hecke waren gut zu sehen, doch der weiter unten liegende Teil der Straße war verdeckt. Man konnte das Kennzeichen des Wagens nicht erkennen.
    Thomas, Natalie und

Weitere Kostenlose Bücher