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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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wieder. »Ja, ja.«
    »Ich kenne sie nur oberflächlich. Wir haben uns ungefähr vor einem Jahr kennengelernt. Sie ist die Bekannte einer Bekannten. Sie war dann maximal drei-, viermal hier und hat mit mir Kaffee getrunken. Aber das ist schon eine Weile her.«
    Natalie spürte, wie sie ärgerlich wurde. »Wenn Sie jetzt nicht aufhören herumzulügen, gibt es Ärger. Ich weiß, dass Cherkasova zuletzt in der vergangenen Woche hier war.«
    »Ja, schon möglich. Das stimmt wohl. Wir sehen uns hin und wieder. Sie hat die kleine Tyra so gern. Sie liebt Kinder.«
    »Und, weiter? Ich will mehr wissen. Wer ist sie, was macht sie?«
    »Ich glaube, sie kommt aus Weißrussland, aber sie lebt schon seit vielen Jahren hier. Sie spricht gut Schwedisch. Ich glaube, sie studiert Schwedisch und Englisch. Hat hin und wieder Gelegenheitsjobs. Sie wohnt in Solna, sie muss also durch die ganze Stadt fahren, wenn sie hierherkommen will.«
    Natalie verspürte jetzt eine deutliche Irritation; sie war kurz vorm Platzen. Sie beugte sich vor. Fixierte Martinas Augen mit ihrem Blick.
    »Ich sage es jetzt zum letzten Mal.«
    Sie ergriff Martinas Hand. Richtete den Blick auf das Baby im Kinderstuhl.
    »Wenn Sie jetzt nicht endlich reden, wird es ziemlich übel für Sie ausgehen. Ich mag Kinder auch, ich liebe süße kleine Kids. Aber ich mag auch Leute, die kooperieren. In diesem Fall scheinen sich diese Interessen aber eher auszuschließen. Und jetzt verlange ich, dass Sie endlich ehrlich sind. Okay?«
    Natalie schaute die Frau erneut an. Das, was der Blick der Frau jetzt widerspiegelte, war etwas anderes als das, was sie zuvor an ihr gesehen hatte. Keine Angst. Kein Schrecken. Sondern Hass – so unbändiger Hass, dass er nahezu Beklemmungen in ihr auslöste.
    Dennoch begann sie zu reden.
    »Also, ich weiß, wer Sie sind. Habe es zwar noch nie zuvor erlebt, dass sie ein Mädel mitschicken, aber ich weiß es dennoch. Ich kenne mich mit Leuten wie euch aus. Und ich habe nichts zu verbergen. Ich habe dieses Leben hinter mir gelassen. Aber wenn ihr es so wollt, werde ich euch erzählen, was ich über Melissa Cherkasova weiß. Und wenn ihr mich dann nicht zufrieden lasst, gehe ich direkt zur Polizei. Ich verspreche euch, ich pfeif drauf, ob ihr mir oder meiner Familie etwas antut. Ich werde dafür sorgen, dass die Polizei euch einbuchtet.«
    Natalie saß schweigend da. Zufrieden damit, dass die Frau endlich redete.
    »Ich und Melissa sind von derselben Sorte. Verstehen Sie? Ich war wie Melissa. Und ich habe mich ganz allein da rausgeholt. Schauen Sie doch, was ich jetzt habe – alles, wovon ich immer geträumt habe. Ich habe einen Mann, eine Villa, ein Kind. Wir haben ein schickes Auto, das da draußen in der Garage steht. Ich bin glücklich heute. Und Melissa hätte heute genauso viel erreicht, aber sie wollte weiter nach oben. Ich versuche ihr beizubringen, dass das Leben gut ist, so wie es ist. Aber das können Sie natürlich nicht verstehen. Sie wissen ja nicht, wie es ist, ganz unten zu sein.«
    Martina gestikulierte, während sie sprach. Natalie dachte: Wahrscheinlich tut es dieser Frau gut, jemanden zu haben, dem sie ihr Herz ausschütten kann.
    Sie gab sich mitfühlend. »Nein, vielleicht nicht. Aber ich bin auch eine Frau. Ich respektiere, was Sie sagen.«
    »Das bezweifle ich. Und ich frage mich, ob Sie es wirklich verstehen können. Als ich siebzehn Jahre alt war, hatte ich bereits mehr durchgemacht als andere in ihrem ganzen Leben. Ich komme aus einer Scheißfamilie. Ich bin geschlagen worden. Zu Hause rausgeschmissen worden. Im Jugendheim gewesen. Man hat mich ausgenutzt und betrogen. Ich habe alle Drogen ausprobiert, die man sich nur denken kann, außer Heroin. Alle, von denen ich gedacht hatte, sie lieben mich, haben mich verraten. Also wurde ich schließlich zu dem, was alle bereits über mich redeten. Es begann, als ich auf dem Komvux, der Schule für Erwachsenenbildung, studierte. Ich und zwei weitere Mädels. Wir wurden in exquisite Lokale eingeladen und erhielten Drinks und Aufmerksamkeit. Aber von uns wurde natürlich erwartet, etwas zurückzugeben, und das fanden wir auch okay. Das Kranke war nur, dass es einer der Lehrer war, der das ganze Drumherum organisierte. Das Karussell drehte sich immer schneller. Es kam sogar vor, dass ich dreitausend Kronen am Abend verdiente, und nichts mit diesen Männern machen musste. Wir waren einige schwedische Mädels, aber die meisten waren aus dem Osten. Ich hielt ein paar Jahre durch,

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