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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Goran hatten versucht, andere Merkmale auszumachen, die sie weiterführen würden. Es war ein alter S80, entsprechend abgenutzt, mit hellen Sitzen und ohne Transponder am Rückspiegel. Keine Kindersitze, kein Müll auf dem Armaturenbrett, getönte hintere Scheiben mit einem dunklen Fleck darauf. Es war, als wollte man einen Grashalm auf einem Fußballfeld identifizieren.
    Sie konzentrierten sich stattdessen auf den Fahrer. Es war ein Mann, ganz klar. Ziemlich groß, mit dunklen Haaren und tiefliegenden Augen. Und er fuhr mit Handschuhen. Viel mehr konnte man nicht erkennen, denn die Bilder hatten eine grobe Auflösung. Dennoch: Natalie war sich sicher. Derjenige, der den Volvo fuhr, hatte in irgendeiner Form mit dem Mord zu tun. Aber sie würden den Wagen niemals ohne das Kennzeichen identifizieren können.
     
    Dreißig Meter vor ihnen: das Haus, zu dem sie wollten.
    Sie parkte den Golf.
    Sie stiegen aus.
    Der Himmel war graublau. Das Haus gelblich grau – wie eine von Abgasen verdreckte Mauer an der Autobahn.
    Ganz klar: Hier gab es eine Verbindung zu Melissa Cherkasova. Sowohl Natalie als auch Thomas hatten sie mehrfach hierherfahren sehen. Sie hinein- und ein paar Stunden später wieder herausgehen sehen. Oftmals mitten am Tag, wenn nur die Frau zu Hause war.
    Ganz klar: Sie hieß Martina Kjellsson. Neunundzwanzig Jahre alt. Mit einem einjährigen Kind in Elternzeit. Sie müsste also zu Hause sein.
    Natalie klingelte an der Tür.
    Nach einer ganzen Weile wurde sie geöffnet. Die Frau schaute sie fragend an.
    Natalie scannte sie innerhalb einer Sekunde ab. Dicht nebeneinanderliegende Augen. Jogginghosen. Abgeplatzter Nagellack. Eine Kette um den Hals:
Hope
.
    Auf dem Arm ein Kind.
    Ganz klar: Es war genau die Frau. Die, mit der sich Cherkasova traf.
    Martina Kjellsson zog die Augenbrauen hoch.
    Natalie sagte: »Wir würden gerne kurz reinkommen und uns ein wenig mit Ihnen unterhalten.«
    Die ganze Zeit über: den Blick auf Martina gerichtet. Natalie sah es sofort in ihren Augen – derselbe Ausdruck wie bei Cherkasova: Anspannung. Oder eigentlich eher: Angst.
    »Und worüber wollen Sie sich mit mir unterhalten?«
    Goran: zwei Meter hinter ihr. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, ihn mitzunehmen.
    Natalie kam direkt zur Sache: »Wir wollen mit Ihnen über Melissa Cherkasova reden. Und wir würden gerne reinkommen.«
    Goran trat einen Schritt vor.
    Die Frau hielt die Haustür fest. Sie hatte nicht vor, sie weiter zu öffnen. Goran pfiff drauf – machte einen weiteren Schritt vor. Ergriff die Tür. Schob sie auf. Schob die Frau vor sich in den Flur hinein.
    Natalie schloss die Tür hinter sich.
    »Sie können hier nicht einfach so hereinschneien. Ich habe nichts mit Ihnen zu tun.«
    Der Flur war sauber. Rechter Hand lag eine Küche. An den Wänden hingen Kinderfotos und ein Bild von einem Segelboot. Natalie wies mit der Hand in Richtung Küche. Martina ging widerwillig hinein.
    »Wir wollen nur reden. Wir wollen Ihnen nichts tun. Versprochen.«
    Die Frau blieb stehen. Natalie forderte sie auf, sich zu setzen.
    Martina setzte das Baby in einen Kinderhochstuhl, der am Küchentisch stand. Unter dem Stuhl lag ein Stück durchsichtige Kunststofffolie – wahrscheinlich um den Fußboden vor den Kleckereien des Babys zu schützen.
    »Ich habe nichts mit Ihnen zu tun. Ich möchte, dass Sie wieder gehen«, wiederholte sie.
    Natalie war leicht genervt. »Wir gehen erst, wenn wir uns unterhalten haben«, entgegnete sie.
    Sie setzte sich. Die Frau setzte sich ebenfalls. Goran blieb in der Türöffnung stehen.
    Die Küche wirkte neu. Schwarz-weißer Kachelfußboden. Beigefarbene Schrankfronten. Eine Poul-Henningsen-Lampe, die dicht über dem Küchentisch hing.
    Natalie sagte: »Erzählen Sie mir von Melissa Cherkasova.«
    »Und warum?«
    »Ich weiß, dass Sie sie kennen. Wir wissen, dass sie hier war.«
    »Und was wollen Sie von ihr?«
    Natalie spürte erneut dieses genervte Gefühl. Warum machte sich diese Frau das Leben so schwer? Sie stand abrupt auf – stieß dabei gegen den Tisch. Ein ausgetrunkener Kaffeebecher geriet ins Schwanken.
    »Heute bin ich es, die Fragen stellt. Wenn Sie irgendetwas nicht verstehen, dann sagen Sie es. Ich möchte lediglich, dass Sie mir von dieser Cherkasova erzählen. Und wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Das Baby starrte sie mit großen Augen an. Martina sah aus, als heule sie jeden Moment los.
    »Versprechen Sie mir, dass Sie danach wieder gehen.«
    Natalie setzte sich

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