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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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ihres Wagens, platzierten sie immer am weitesten vom Fenster entfernt und ließen sie nie als Erste einen Raum betreten. Sie studierte die Voruntersuchungen zum zwanzigsten Mal. Darin musste doch irgendwas zu finden sein. Sie erwog, die Polizei darüber zu informieren, dass sie wusste, woher die Waffen stammten. Sie saß in Meetings mit ihrem Rechtsanwalt und einem weiteren Steuerberater. Sie fuhr zum Freihafen und inspizierte die Kais sowie die Einfahrtslinie der Fähren aus Tallinn – vielleicht war es möglich, Plastiktüten mit Amphetamin von den Schiffen zu werfen? Sie trank sechs Dosen Coca-Cola am Tag, kaute jeden Morgen Ginsengtabletten und schluckte ab fünf Uhr nachmittags Citodon, um die Kopfschmerzen zu lindern.
    Eines Tages rief Goran an. »Er will sich erneut mit dir treffen«, sagte er.
    »Gut.«
    »Natalie, lass es aber vorsichtig angehen.«
    Sie sahen sich vier Stunden später. Wieder im Teatergrill. Derselbe rote Hintergrund. Die gleichen Kerzen. Dieselbe Abgeschiedenheit.
    Adam, ihr heutiger Leibwächter, musste im Wagen warten.
    JW trug einen dunkelgrauen Anzug und eine grüne Krawatte.
    Er kam direkt zur Sache: »Das hier ist nicht in Ordnung.«
    Natalie nahm an, dass er auf die Situation zwischen ihr und Stefanovic anspielte.
    Er sagte: »Bladman fühlt sich unter Druck gesetzt.«
    Sie entgegnete: »Lasst mich in Ruhe meine Sachen erledigen, dann lasse ich euch, Bladman und dich, eure Sachen machen. Im Übrigen warst du beim letzten Mal, als wir uns trafen, nicht gerade scharf darauf, mit mir zusammenzuarbeiten.«
    Er sagte: »Wir arbeiten mit den Leuten zusammen, mit denen es uns gefällt. Ich habe viele Kunden. Dein Vater war einer von ihnen. Und jetzt ist Stefanovic einer von ihnen.«
    Natalie hatte nicht vor, sich geschlagen zu geben. Sie tat, was sie tun musste. Zugleich benötigte sie JW ’s Hilfe. Er und Bladman hatten ihren Vater mit all dem unterstützt, was Stefanovic jetzt zu übernehmen versuchte. Außerdem war er in die Cherkasova-Svelander-Geschichte involviert.
    Sie sagte: »Nenn mir einen Grund, warum ich nicht versuchen sollte, mir das zurückzuholen, was mir gehört.«
    Erneut das Leuchten in seinen Augen. Möglicherweise die Andeutung eines winzigen Lächelns um die Mundwinkel herum.
    »Das Eigentumsrecht ist das wichtigste Recht, das wir haben. Glaub mir, ich setze mich intensiv dafür ein. Aber du musst auch verstehen, wie die Realität aussieht. Ich kann nicht Stellung zwischen zwei Klienten beziehen.«
    »Du hast deine Prinzipien, und ich habe eben meine. Ich werde mir zurückerobern, was mir gehört. Du und Bladman, ihr müsst euch ganz einfach entscheiden, auf welcher Seite ihr stehen wollt.«
    »Das werden wir nicht tun. Aber lass es mich so sagen. Du willst etwas von mir. Und ich will einiges von dir. Ich glaube schon, dass wir eine Lösung finden. Gib mir nur etwas Zeit.«
    Er war irgendwie anders. Schwedisch – dennoch redete er wie die Männer ihres Vaters und strahlte eine ebensolche Ruhe aus. Schnösellook – dennoch lebte er in derselben Welt wie sie. Er hatte im Knast gesessen – und dennoch bestellte er im selben Stil wie ihr Vater Wein. Er spielte viele verschiedene Matches gleichzeitig. Genau wie sie, vielleicht.
    Und die ganze Zeit: dieser Glanz in seinen Augen. Sie war noch nie zuvor einem Menschen wie ihm begegnet.
     
    Am Abend schickte sie Viktor eine SMS und bat ihn, zu ihr zu kommen. Ihre Mutter war beim Yoga. Sie bestellten Pizza, die er von unterwegs mitbrachte. Natalie schnitt die Ränder ab und aß – ihre LCHF -Diät hatte sie für den Augenblick abgebrochen.
    Viktor fragte, was mit ihr los sei. Warum sie sich nie mit ihm treffen wollte. Warum die Leute sagten, dass sie sie in der Stadt mit anderen Männern gesehen hätten. Natalie versuchte es zu erklären – die Situation hatte sich zugespitzt. Es war nicht ein und derselbe Mann, mit dem sie unterwegs war. Es waren verschiedene Leibwächter.
    Viktor nervte weiter. Natalie wollte nicht länger darüber reden. Sie sagte: »Lass uns ins Fernsehzimmer gehen.«
    Sie schaltete den Fernseher ein, fläzte sich aufs Sofa und legte die Füße auf dem Couchtisch ab. Viktor setzte sich neben sie. Im Fernsehen lief eine Work-Place-Realityserie. Es ging um die Strafverteidiger einer Anwaltskanzlei in Stockholm.
    Natalie legte ihren Arm auf Viktors Oberschenkel. »Hast du Lust, rüber in mein Bett zu gehen?«
    Das war eine Umschreibung.
    »Verdammt, Natalie, wir haben uns über eine Woche nicht

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