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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Hatte pseudoeinfühlsame Bewährungshelfer, brutale Aufseher, noch brutalere Bullen überstanden. Hatte den Arm hochgerissen, laut gegen das rassistische Scheißgerede der Gesellschaft protestiert und ihr den Stinkefinger gezeigt. Die Regeln des Lasse-Schweden-Staates waren nicht für ihn gemacht.
    Plus: Es lief nicht alles mehr so rund. Das Finanzamt war mit ihren Abrechnungen nicht einverstanden. Seit einiger Zeit tauchten regelmäßig Eintreibungsfotzen auf. Die Lieferanten quengelten, weil sie Vorschüsse wollten.
    Und dennoch: Er war ehrenhaft. Zumindest so ehrenhaft, wie ein Typ wie er eben sein konnte.
    Aber das Ding war: Er hatte kein cooles Gefühl, ihm war eher flau im Magen.
    Es war nicht entspannt, es war eher gefährlich.
    Die verschiedensten Ideen tauchten in seinem Kopf auf. Es kribbelte ihm zunehmend in seinen Gangstergenen. Jeden Tag dieselben Gedanken. Es war noch zu früh, um auf der Ersatzbank Platz zu nehmen. Das Handtuch zu werfen, auf den Schlusspfiff zu warten. Noch nicht an der Zeit, aufzugeben. Sich aufs Sterben vorzubereiten.
     
    Damals hatte Jorge Mahmuds Schritte auf der Treppe gehört. Als der Araber dann an J-Boys Tür klingelte, war er total nervös. Der Kumpel war gekleidet wie ’n Softie. Superdicke Winterjacke, graue Jogginghosen und Sparcoschuhe. Nicht mehr ganz so muskulös wie früher, aber immer noch doppelt so breit wie J-Boy. Für die meisten strahlte der Araber Autorität aus – seine gesetzte Art zu gehen, die Hände in den oberen Taschen der Jacke, bei jedem Schritt vor- und zurückwankend. Er sendete Signale aus. Bleib locker. Muck niemals auf. Aber Jorge wusste: In Mahmud al-Askori pochte ein Herz, das mindestens so weit war wie das von Melinda Gates und seiner eigenen Mutter zusammen.
    Mahmud sah Jorge kurz in die Augen und senkte dann den Blick – fast so, als wäre er schüchtern. Es stimmte tatsächlich – sein Kumpel war irgendwie ’n Softie.
    Sie schüttelten sich die Hand, aber nicht so, wie die Lassetypen es zu tun pflegen: ein leichter Handschlag und ’n kurzer Blick in die Augen. Nein. Sie schwangen regelrecht die Arme, bevor sie ihre Handflächen gegeneinander klatschten und ihre Daumen mit einem massiven Griff ineinander verschränkten. Wie im Ghetto. In der Welt der Hochhäuser. Wie richtige Freunde.
    Sie aßen gemeinsam und quatschten. Tauschten den neusten Tratsch aus der Stadt aus. Wer hinter dem Riesensteuerfiasko von fünfzig Millionen für schwarz gehandelten Schnaps und nicht deklarierte Zigaretten steckte. Wie es bei Babak und den anderen Kumpels von Mahmud lief – Jungs, die immer noch das Originalrennen fuhren. Die Wichtigtuer verkloppten, die Manga spielten, K. vertickerten, elektronische Geräte aus den riesigen Lagern der Warenhausketten klauten und dieselben Sachen pro Stück vierzehnmal bei Blocket absetzten.
    Den ganzen Nachmittag lang: Jorge überlegte, wie er es ihm verklickern könnte. Wie er es anfangen sollte. Zu erklären, was er sagen wollte. Wie er den Araber dazu bringen würde, es zu verstehen.
    Okay, sie hatten Probleme mit der Rendite. Sie hatten Probleme mit den Jugos. Und dennoch: Mahmud konnte total ausflippen. Vielleicht sogar stinksauer reagieren.
    Jorge steckte die Hand in die Hosentasche. Zog ein Redlinetütchen hervor. Hielt das Tütchen in der Handfläche.
    »Guck mal, was ich hier habe.«
    Mahmud schüttelte den Kopf. »Für mich nicht. Nicht heute Abend, denn ich muss morgen um fünf nach Södertälje.«
    Jorge schnickte das Tütchen gegen die Handfläche seiner anderen Hand. »Jetzt sei doch nicht so stur. Sieh es mal so, wir haben gut gegessen, du hast trainieren können, wir sind gut drauf. Vom Rauchen kriegst du doch keinen Kater.«
    Jorge breitete das Gras auf einem Zigarettenpapier aus und mischte es mit Tabak. OCB als Rolle: Es ging ganz einfach und war superdünn. Der Joint würde langsamer abbrennen.
    Sie nahmen lange Züge.
    Mahmud lehnte sich zurück. »Super, das Zeug hier.«
    Jorge sagte: »Mahmud, ich muss mit dir über ’ne ernste Sache reden.«
    Mahmud schaute nicht mal auf, saß lediglich mit seinem schiefen Grinsen da, das er immer aufsetzte, wenn er high war. »Klar, geht’s ums Business?«
    Jorge antwortete: »Ich mach jetzt seit ’nem halben Jahr den Laden mit dir. Das Café ist ’ne klasse Sache, ’n hochanständiger Job, wir drücken einiges an Steuern ab, haben Versicherungen und so ’n Zeug laufen und sparen sogar wie echte Schweden auf die Rente. Du bist ’n Supertyp, Mahmud,

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